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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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eine Weile stumm. »Oha«, sagte er schließlich.
     
    Auf der Fahrt nach Windsor war ihr Kollege ungewöhnlich schweigsam, er machte sie nur darauf aufmerksam, daß es schneller gegangen wäre, sich die Unterlagen einfach ins Büro schicken zu lassen. »Schließlich ist kaum zu erwarten, daß wir sie beide noch dort antreffen, Skouros.«
    »Weiß ich. Aber ich bin anders als du, Stan. Ich muß dort sein, mir den Ort anschauen. Einen Eindruck bekommen. Und falls du irgendeinen Scheißdreck über ›weibliche Intuition‹ abläßt, kannst du zu Fuß zurückgehen. Das ist mein Wagen.«
    »Erschreckend.« Seine Augenbrauen gingen kurz in die Höhe. Stan Chan war so stoisch, daß Calliope sich neben ihm manchmal wie eine Zirkusnummer vorkam – ›Die schwitzende, schreiende Monsterfrau‹. Aber er war einer, auf den Verlaß war, und seine Stärken verbanden sich gut mit ihren. Als ›die Emotionale und der Skeptiker‹ gaben sie in den meisten Fällen ein ganz gutes Gespann ab, und obwohl sie gelegentlich ihre Rolle satt bekam – sie wäre auch gern einmal die Coole und Besonnene gewesen –, konnte sie sich nicht vorstellen, mit irgend jemandem besser zusammenzuarbeiten.
    Vom Namen her hatte sie halb damit gerechnet, daß das Feverbrook Hospital ein abschreckender Festungsbau mit Türmen und Kuppeln war, eine burgähnliche Anlage, die sich unter finsteren Gewitterwolken am besten machte, und obwohl es in der Tat einen älteren architektonischen Stil verkörperte, stammte dieser Stil aus den Anfängen von Calliopes Jahrhundert und lief bei ihr unter dem Oberbegriff »Kaufparkmanierismus«. Die Gebäude waren auf dem Gelände verstreut wie die Bauklötze eines Kindes, nur in der Mitte des Komplexes waren sie plump aufgetürmt und sollten wahrscheinlich das Verwaltungszentrum darstellen. Die meisten waren in fröhlichen Pastellfarben gehalten, mit Beiwerk in kräftigen Primärfarben – Geländer und Markisen und unschöner kleiner Schnickschnack, der keinen ersichtlichen Gebrauchswert hatte. Das Ganze machte den Eindruck, als sollten damit die geistig Minderbemittelten erst angelockt, dann positiv gestimmt werden. Calliope fragte sich, inwieweit diese Wirkung beabsichtigt war.
    Die Leiterin, Doktor Theodosia Hazen, war eine schlanke, hochgewachsene Frau im mittleren Alter, deren Freundlichkeit so geübt wirkte wie Yoga. Sie kam aus ihrem Büro geglitten, kaum daß die Kriminalbeamten angemeldet waren, und ein Lächeln vollendeter Noblesse spielte in ihren Mundwinkeln.
    »Selbstverständlich helfen wir euch gern«, sagte sie, als ob Calliope oder Stan gerade gefragt hätte. »Ich habe euch von meiner Assistentin die Unterlagen raussaugen lassen – wir hätten sie euch auch zuschicken können!« Sie lachte über die Umständlichkeit der Prozedur, als ob die Polizisten einen leicht unanständigen Witz erzählt hätten.
    »Eigentlich hätten wir uns gern ein bißchen umgeguckt.« Calliope setzte ihrerseits ein strahlendes Lächeln auf und freute sich diebisch, daß sie die andere Frau damit ein wenig aus dem Konzept brachte. »Hat die Klinik sich in den letzten zehn Jahren sehr verändert?«
    Doktor Hazen hatte sich gleich wieder gefangen. »Meinst du strukturell oder operationell? Ich habe hier erst seit zwei Jahren die Leitung, und ich bilde mir ein, daß sich die Abwicklung in der Zeit deutlich verbessert hat.«
    »Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht so genau, was ich meine.« Calliope drehte sich zu Stan Chan um, der offensichtlich schon zu dem Schluß gekommen war, daß er besser daran tat, sich aus dem Gespräch zwischen seiner Kollegin und der Direktorin herauszuhalten. »Wie wär’s, wenn wir einen Rundgang machen und ein wenig plaudern?«
    »Oh.« Doktor Hazen lächelte abermals, aber es war ein Reflex. »Ich hatte nicht … Wißt ihr, gerade heute wartet sehr viel Arbeit auf mich …«
    »Natürlich. Das verstehen wir. Dann schlendern wir einfach selbst ein bißchen herum.«
    »Nein, ich darf euch nicht … das wäre schrecklich unhöflich von mir.« Die Direktorin strich ihre graue Seidenhose glatt. »Laßt mich schnell noch ein ganz kurzes Wörtchen mit meiner Assistentin wechseln, dann stehe ich euch zur Verfügung.«
    Das Bild, das sich draußen bot, gab gewiß keinen Grund zur Beanstandung; an der frischen Sydneyer Mittagsluft machte selbst der steifbeinigste und verwirrteste Patient nicht den Eindruck, als müßte man sich vor ihm fürchten, und dennoch konnte Calliope ihre Gruselstimmung nicht so recht

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