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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gelauscht und sich gefühlt, als ob die Ursache der Kopfschmerzen endlich aus dem Ei geschlüpft, aus ihrem Ohr gekrochen und verschwunden wäre. Sie hatte jedoch den Eindruck, daß sie nicht in ihrer alten Verfassung wiederhergestellt, sondern daß ihr für den neu geschenkten inneren Frieden etwas anderes genommen worden war.
    Mit traumwandlerischer Sicherheit war sie durchs Haus gegangen, ohne das Licht anzuschalten und auch ohne auf Mischas quengelndes, fragendes Winseln zu achten, und war auf ihren tiefen Stationssessel gerutscht. Als das Glasfaserkabel steckte, ging sie nicht in das Obolos-System und auch nicht auf die tieferen Ebenen ihres eigenen. Sie blieb im Dunkeln sitzen und fühlte das sie umgebende Nichts, fühlte es am anderen Ende des Kabels zischen, fühlte es so dicht in ihrer Nähe, daß es war, als könnte es sie jederzeit anrühren.
    Und dann hatte es sie angerührt.
    Die ersten Momente waren ein grauenerregender Sturz in ein Loch gewesen, in das leere Dunkel, ein unaufhaltsamer Fall Hals über Kopf. Das ist der Tod, ich sterbe, war ihr flüchtig durch den Kopf gegangen, bevor sie sich der schwarzen Anziehung überließ. Aber es war nicht der Tod gewesen, oder wenn, dann war das Jenseits viel sonderbarer, als alle religiösen Träume der Welt es je ausgemalt hatten.
    Zunächst war es langsam gegangen, daß die Kinder zu ihr kamen – ganz eigene und kostbare Leben, jedes ein Wunder an Individualität, wie eine Schneeflocke in einem offenen Fausthandschuh. Sie hatte jedes Leben so tief erfahren, war so vollständig jedes einzelne Kind geworden, daß der Teil von ihr, der Olga Pirofsky gewesen war, nur noch am Rande des Verlöschens existierte, als eine schattenhafte Gestalt, die an einem Schulhofzaun hing und fassungslos schaute, wie die Kleinen im Zentrum des Geschehens tollten und lachten und tanzten. Dann wurde aus dem langsamen Tröpfeln ein Strom, und die Leben schossen so schnell durch sie hin, daß sie nicht mehr dazwischen unterscheiden konnte – ein Augenblick familiärer Gemeinschaft hier, ein Gegenstand eingehender staunender Betrachtung dort, jedes im Augenblick der Wahrnehmung schon wieder vergangen.
    Der Strom war eine Flut geworden, und unter dem Ansturm junger Leben, die sich immer schneller und rasender durch sie hindurch Bahn brachen, hatte Olga gefühlt, wie die letzten Reste ihrer Identität weggeschwemmt wurden. Zuletzt war die Flutwelle so mächtig, daß Hunderte, vielleicht Tausende einzelner Momente eine Einheit wurden, eine einzige überwältigende Empfindung von Verlust und Verlassenheit, die bis in die Zellen ihres Wesens zu dringen schien. Der Fluß der Leben war zu einem einzigen, langgezogenen, stummen Schrei des Jammers verschmolzen.
    Verloren! Allein! Verloren!
    Die Stimmen hatten sie vollständig in ihren Bann gezogen, stark und heimlich waren sie wie der erste Kuß. Sie sollte ihnen allein gehören.
    Als sie aufgewacht war, hatte sie verkrümmt auf dem Boden gelegen. Mischa bellte ängstlich neben ihrem Kopf, und jedes Kläffen war so scharf wie ein Messerschnitt. Das Glasfaserkabel lag eingerollt wie eine verschrumpelte Nabelschnur neben ihr. Ihr Gesicht war noch tränenfeucht, und ihr Unterleib schmerzte.
     
    Außerstande, zu essen, außerstande, den völlig verstörten Mischa zu trösten, hatte Olga sich einzureden versucht, daß sie eine Art Albtraum gehabt hatte – einen Albtraum, der mit einer der furchtbaren Kopfwehattacken zusammengefallen war, klang noch einleuchtender. Wenn sie versucht hätte, jemand anders davon zu überzeugen, hätte sie es vielleicht plausibel darstellen können, aber letztlich stieß jede Rationalisierung auf die transzendente Kraft der Erfahrung selbst und verging davor.
    Hatte jemand ihr irgendein schlechtes Gear verpaßt – wie hieß das nochmal? Charge? Aber sie war nirgends hineingegangen. Olga konnte sich nicht überwinden, das Glasfaserkabel gleich noch einmal zu benutzen, doch sie spürte, daß sie noch mehr erfahren mußte, daß die Kinder wieder mit ihr sprechen wollten. Statt dessen rief sie ihr Systemprotokoll am Wandbildschirm auf und überzeugte sich davon, daß sie noch nicht einmal auf die Startebene ihres eigenen Systems gelangt war und schon gar keine Leitung in das allgemeine Netz geöffnet hatte.
    Was war es dann gewesen? Sie hatte keine brauchbare Antwort gefunden, aber sie wußte, daß sie es sowenig ignorieren konnte, wie sie die Kopfschmerzen hatte ignorieren können. Wenn die mysteriösen Anfälle damals

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