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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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eingegangen, daß sie Polly Merapanuis Mörder entdeckt hatten.
    »Ich sagte, daß ihm alles und alle vollkommen egal waren«, erzählte der alte Mann weiter. »Das stimmt natürlich nicht. Negative Emotionen sind auch Emotionen, und er haßte seine Mutter. Ich glaube, wenn sie am Leben geblieben wäre, hätte er sie eines Tages getötet, aber sie starb, als er noch ziemlich klein war, in der Zeit bei einer seiner ersten Pflegefamilien. Eine Überdosis. Nicht sehr verwunderlich. Er nannte sie immer ›die Traumzeitschlampe‹.«
    Eine holographische Welle brach direkt neben ihnen. Unwirkliche Gischt spritzte über den Nachbartisch, so daß Stan Chan zusammenzuckte und sein Zahnstocherhaus umstieß. Er schnitt ein Gesicht und schob die Zahnstocher zu einem Haufen zusammen: Sie sahen aus wie weggeworfene Knöchelchen, die Überreste eines Minikannibalenschmauses.

Kapitel
Gottes einzige Freunde
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Eher ein Scheidenkrampf
    (Bild: erste »SeeScheiden«-Aktion des Dada Retrieval Kollektivs)
    Off-Stimme: Eine Gruppe von Datenterroristen, die sich selbst »SeeScheidenStoßtrupp« nennt und sich das Ziel gesetzt hat, »das Netz zu killen«, hat ihre erste Aktion unternommen. Die massive Informationsattacke auf eines der zentralen Netzwerke ging jedoch nicht ganz so über die Bühne, wie ihre Ingenieure es geplant hatten. Statt familienorientierte Netzkanäle mit harter Pornographie zu überlagern und Sender in anderen Teilen des Netzes lahmzulegen, blieb die Datenschwemme weitgehend unbemerkt, wenn man einmal von der zufälligen Wiederverschlüsselung interaktiver Sexprogramme absieht, die Beschwerden von Seiten einiger Benutzer zur Folge hatte.
    (Bild: unkenntlich gemachter Blue-Gates-Kunde)
    Kunde: »Wenn sie noch mehr nackte Weiber ins Netz geschmissen hätten, wär’s ja chizz gewesen. Aber die bescheuerten Arschlöcher haben die nackten Weiber zerhackt, für die wir schon bezahlt hatten …«
    Off-Stimme: Die unerschütterten Terroristen veröffentlichten einen Soundclip.
    (Bild: DRK-Mitglied mit einem Telemorphix-Einkaufsbeutel als Maske)
    DRK: »Rom ist auch nicht an einem Tag gefallen, oder? Wartet ab, wir schaffen’s schon.«
     
     
    > »Bes!« rief ein Mädchen. »Mutter, sieh mal, das ist er!«
    Der häßliche Zwerg blieb so unvermittelt stehen, daß Orlando beinahe über ihn gefallen wäre. Als Bes sein groteskes Grinsen zum besten gab und mit der Hand eine segenspendende Geste machte, hob die Mutter ihre kleine Tochter über die Gartenmauer und hielt sie der Prozession entgegen, um noch mehr von der Strahlkraft des Hausgottes einzufangen.
    Die Schar, in der sich Orlando befand, war ohnehin ziemlich auffällig, da außer dem Gott Bes und Orlandos breitschultrigem Barbarensim noch Bonita Mae Simpkins, Fredericks und ein Schwarm winziger gelber Affen dazugehörten – und dennoch führte Bes sie alle im prallen Sonnenschein unverdrossen durch die schmalen Straßen von Abydos.
    »Sollten wir nicht … uns verstecken oder so?« fragte Orlando. Noch mehr Leute lehnten sich aus den Häusern und winkten Bes zu, der ihre Grüße mit der fröhlichen Selbstverständlichkeit eines heimkehrenden Helden erwiderte. Orlando beugte sich weiter zu Missus Simpkins herunter. »Uns hintenrum durch kleine Gäßchen schleichen? Statt voll mitten die Hauptstraße langzuspazieren?«
    »Bes weiß, was er tut, Junge. Sie lieben ihn hier, viel mehr, als sie Osiris und seine ganzen Lakaien aus dem Westlichen Palast lieben. Außerdem sind alle Soldaten damit beschäftigt, den Tempel des Re zu umstellen, und streifen nicht in diesem Teil der Stadt herum.«
    »Richtig. Sie umstellen den Tempel. Und wir marschieren geradewegs dorthin.« Orlando drehte sich zu Fredericks um, der wenigstens den Anstand hatte, genauso verwirrt zu sein wie er. »Also weil wir den Soldaten aus dem Weg gehen wollen, gehen wir dorthin, wo alle Soldaten sind …?«
    Die Frau schnaubte. »Du hast nicht mehr Glaubensstärke als ein Stück Vieh, Junge. Wie kommst du so durchs Leben?«
    Das saß. Im ersten Reflex wollte Orlando eine bissige Bemerkung zurückgeben, ihr klarmachen, daß sie keine Krankheit wie seine und somit nicht das Recht hatte, hochnäsige Urteile über sein Leben abzugeben, aber er wußte, daß sie es in Wirklichkeit nicht so meinte. »Red einfach mit mir, Missus Simpkins«, sagte er matt. »Sonst steig ich da nie durch.«
    Sie warf ihm einen raschen Blick zu, vielleicht hatte sie etwas in seinem Ton gehört. Ihr hartes Lächeln

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