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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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aufschlägst, weißt du, du bist irgendwo anders als da, wo du sein solltest. Dreiundzwanzig Jahre hab ich mit dem Mann gelebt. Ich wußte, daß er nicht mehr da war.«
    Sie ging eine Weile schweigend dahin. Fredericks, der gespannt zugehört hatte, wandte sich mit erschütterter Miene ab. Orlando beobachtete angestrengt die um Bes herumschwirrenden Affen und hoffte auf eine Ablenkung.
    Als sie seinen Blick bemerkten, lösten sich zwei gelbe Äffchen von dem Geschwader und kamen quiekend angeflattert. »Landogarner! Warum gehse so schleich, schleich, schleich?«
    Er machte ihnen ein Zeichen, den Mund zu halten, aber Missus Simpkins hielt die Hand hoch, und die beiden landeten auf ihrem Finger. »Lieber Gott, Kinder«, sagte sie mit einer Stimme, die zwar ein wenig belegt, aber ansonsten volltönend war, »ihr gebt wohl nie Ruhe. Werden eure Mamis und Papis euch nicht vermissen?«
    Zunni – Orlando hatte ihre Stimme erkannt – riß die winzigen Äuglein weit auf und sah zu Bonnie Mae empor. »Weiß nich. Machen oft lange Spaßtrips, aber kommen immer wieder. Das wissense doch.«
    Missus Simpkins nickte bedächtig. »Sicher wissen sie das.«
    Die Gassen waren hier leerer, und Orlando erkannte, daß sie jetzt durch den Friedhofsbezirk zogen. Die wenigen Bewohner, Grabpfleger und ihre Familien, erkannten Bes ebenfalls, aber passend zur Umgebung war ihre Begrüßung verhaltener. Die Gassen selbst waren noch schmaler, kaum mehr als Trampelpfade zwischen den klotzigen Steinbauten, den schmucklosen Ruhestätten von Beamten und Ladenbesitzern, als ob in Abydos für die Toten noch weniger Platz wäre als für die Lebenden.
    Aber wenn diese Simulation das ägyptische Jenseits darstellen soll, sinnierte Orlando, wer soll dann in den Gräbern liegen? Er kam auf keine plausible Antwort und wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als die kleine Schar von der Gräberstraße in einen Tunnel abbog.
    Als größter der Gruppe mußte Orlando sich ein wenig bücken, damit er nicht mit dem Kopf an die rauhe Granitdecke streifte, aber ansonsten gab es kein Hindernis. Der Tunnel war sauber, und die Wüstenhitze hatte ihn trocken gebrannt. Das Licht wurde schwächer, je weiter sie sich vom Eingang entfernten, aber zum Sehen reichte es noch aus, obwohl die meisten Seitengänge pechschwarz waren.
    »Wo sind wir?« fragte er.
    »In einem der Arbeitertunnel«, rief Bes mit leicht hallender Stimme über die Schulter. »Sie ziehen sich durch den Gräber- und Tempelbezirk wie Rattengänge – jedes dieser Löcher führt in einen andern Teil des Komplexes.«
    »Und wir kommen auf diesem Weg in den Tempel des Re?«
    »Wenn uns vorher nicht irgendwas Großes und Garstiges auffrißt.«
    Wieder ein Punkt für den kleinen Gott: Trotz seiner Mattigkeit schämte sich Orlando dafür, wie sehr seine Thargorschlagfertigkeit nachgelassen hatte, seit er sich im Gralsnetzwerk aufhielt.
    Als sie in den ersten von vielen abzweigenden Gängen einbogen, die noch kommen sollten, zog Bes eine brennende Öllampe aus seiner lockeren, aber spärlichen Bekleidung. Orlando und Fredericks hatten den Cartoonindianer in der Küchenwelt ähnliche Tricks machen sehen und sagten nichts dazu. Die Mitglieder der Bösen Bande, die offenbar einen weitaus höheren Grad zenbuddhistischer Gelassenheit erreicht hatten, als Orlando ihn sich je erhoffen konnte, taten so, als wären sie Falter und schwirrten mit tragikomischen Selbstverbrennungsposen um die Lampenflamme herum.
    Fast eine Stunde lang, schien es, marschierten sie durch einen Gang nach dem anderen, jeder genauso heiß, trocken und leer bis auf eine dünne Sandschicht wie der davor. Als sich in Orlando gerade die Gewißheit auszubreiten begann, daß er das Ende der Wanderung nicht mehr erleben würde, so schwer ging sein Atem und so gummiartig kraftlos und müde fühlten sich seine Beine an, da führte Bes sie durch eine weitere Öffnung und blieb stehen. Er hielt die Lampe in einer Höhe knapp über Orlandos Knien vor sich und leuchtete eine kleine Kammer aus. Der Fußboden war zum größten Teil nicht vorhanden, jedoch die geraden Kanten des etwa fünf Quadratmeter großen Loches zeigten, daß dies kein Zufall war.
    »Da runter«, sagte Bes grinsend. »Da wollen wir hin. Gut zwanzig Ellen tief, aber mit Wasser unten. Der Haken ist, daß wir auf dem Weg nicht wieder zurückkommen – die Wände sind glatt wie geschliffener Bernstein. Zum Schutz gegen Tempelplünderer und Grabräuber. Also besser, ihr seid euch sicher, daß

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