Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
diese Bluthunde, die für Osiris arbeiten, sind in vielen Welten anzutreffen. Die Leute nennen sie die Zwillinge, weil sie immer zusammen auftreten. Wahrscheinlich gibt es noch andere – wir sind mit unsern Nachforschungen nie fertig geworden. Denn auf einmal war hier sozusagen die Hölle los.«
Bes führte sie einen verschlungenen Pfad durch das engste und winkligste Viertel der Stadt, aber dem Fluß hatten sie schon seit längerem den Rücken gekehrt. Wegen seiner Erschöpfung merkte Orlando nur allzu deutlich, daß sie jetzt, wenn auch auf Umwegen, bergauf in die Hügel gingen, in den Bezirk der Götter. Normalerweise wäre er besorgt gewesen, aber bei der Hitze war er vollauf damit beschäftigt, sich auf den Beinen zu halten und Bonnie Maes Geschichte zu lauschen.
»Das allergrößte Geheimnis, nicht wahr, ist der Andere. Kennt ihr den Namen? Du weißt, wen ich meine, Junge, denn du warst näher an ihm dran, als die meisten Leute je kommen. ›Seth‹ nennen ihn die Ägypter hier, aber er hat einen Haufen Namen in den verschiedenen Simulationswelten. Dieses Ding, nicht wahr, ist irgendwie der Schlüssel zum Ganzen, wenigstens denken das die Obergescheiten im Kreis. Ihrer Meinung nach ist er eine Art künstliche Intelligenz, aber er ist auch das System, das dieses ganze Netzwerk am Laufen hält. Ich will gar nicht erst mit Erklärungen anfangen, weil ihr jungen Leute bestimmt mehr von diesem Zeug versteht als ich, aber so hab ich’s jedenfalls gesagt bekommen. Die Gralsleute, denken sie, könnten den Versuch gemacht haben, eine völlig neue Art von Leben zu schaffen, nicht wahr? Und das könnte der seltsame Effekt gewesen sein, den die Leute im Kreis gespürt haben – eine Blasphemiewelle, sagte Herr Dschehani dazu. Für einen Muselmann hatte er einen echt feinen Humor. Er wurde von einem gräßlichen Ding mit einem Nilpferdkopf getötet, als Upuauts Revolution danebenging.
Wir hatten nämlich einen Fehler gemacht, nicht wahr, und das solltet ihr jungen Leute euch sehr genau einprägen. Wir hatten uns mit zu vielen Leuten angefreundet – notgedrungen, weil es vor ein paar Wochen eine Veränderung gab. Niemand konnte mehr offline gehen. Auf einmal saßen wir fest, und unsere ganzen Nachforschungen konnten uns nicht helfen.
Wir dachten uns, jeder Feind des Grals – und der Gral bedeutet hier in dieser Welt Osiris, denn wenn der nicht von der Gralsbruderschaft ist, dann weiß ich nicht wer, so wie der dort oben residiert wie ein römischer Kaiser -Jeder Feind von denen also muß unser Freund sein. Als darum euer Wolfsfreund aufkreuzte, haben wir uns ziemlich blauäugig an ihn drangehängt. Aber in Wirklichkeit war er natürlich durchgeknallt wie ’ne kaputte Sicherung. Wir hätten uns niemals mit ihm einlassen dürfen.
Eine Gruppe von uns saß in einem unserer Häuser mit ihm zusammen, als Tefi und Mewat und eine Horde von ihren Teufelsbestien reingestürmt kamen. Herr Dschehani wurde getötet. Herr Al-Sajjid auch, aber den haben sie derart in Stücke gerissen, daß sie, glaub ich, nicht mal merkten, wen sie da am Wickel hatten. Der Wolfmann konnte mit einigen Anhängern und ein paar Leuten vom Kreis entkommen, aber das Glück hatte mein armer Terence nicht.« Sie stockte. Orlando erwartete, Tränen zu sehen oder einen Kloß im Hals zu hören, doch als sie weiterredete, war ihr nichts anzumerken. »Es ist wie bei den alten christlichen Märtyrern – mein Terence wußte, was passieren konnte, als er hierherkam. Er vertraute fest auf den Herrn, wie ich es auch jeden Tag mache. Sie brachten ihn in eine von ihren Zellen, und ich will gar nicht wissen, was sie ihm antaten. Aber er blieb stark. Er war stark. Wenn er ihnen mehr verraten hätte als Name, Rang und Nummer, wäre ich heute nicht hier, und das Haus wäre keine sichere Zone für euch gewesen.
Sie warfen seine Leiche auf einen der öffentlichen Plätze. Ich konnte natürlich nicht hingehen und sie holen, durfte nicht mal das geringste Interesse daran zeigen. Tagelang lag sie da. Sims verwesen nicht, aber das macht es nicht besser – schlechter eher … in mancher Hinsicht eher schlechter.« Wieder stockte sie, und allmählich begriff Orlando, in welchem Maße Bonita Mae Simpkins sich selbst in der Gewalt hatte. Als sie wieder das Wort ergriff, hörte sie sich immer noch beinahe normal an. »Und ich weiß, daß er tot ist, richtig tot. Irgendwas ist verändert. Ich hab’s sofort gemerkt. Es ist, wie wenn du aufwachst, und noch bevor du die Augen
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