Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
verging. »Sag Bonnie Mae zu mir, Junge. Ich glaube, wir sind jetzt soweit.«
»Ich höre … Bonnie Mae.«
Fredericks ging dicht hinter ihnen, um nichts zu verpassen, was gesagt wurde. Die Affen hatten das Interesse verloren und flatterten hinter Bes her wie ein wehender gelber Umhang, während der kleine Gott mit den Kindern herumalberte, die aus den Häusern liefen und den Weg des unerwarteten Umzugs säumten.
»Ich hab euch erzählt, wie Herr Al-Sajjid zu uns in die Kirche kam, nicht wahr? Und von Pastor Winsallen, wie er uns hinterher mit dem Mann zusammenbrachte und wie sie uns über ihre Gruppe aufklärten, diesen Kreis?«
»Genau«, meldete sich Fredericks, »aber du hast was echt Komisches über Gott gesagt – daß sie ein Loch in ihn reinbohren würden oder so.«
Sie lächelte. »Das hab ich gesagt, weil sie’s mir so erzählt haben. Mehr oder weniger. Und ich kann’s nicht richtig erklären, weil ich’s selbst nicht ganz verstanden habe, aber sie sagten, Menschen aller Religionen in der ganzen Welt hätten beim Beten sowas gemerkt – oder beim Meditieren, wenn sie so Orientalen waren, nehm ich mal an. Irgendwas wollte in den Teil von ihnen einbrechen, der mit Gott in Kontakt stand.«
»So als ob das … ein Ort wäre?« fragte Orlando konsterniert. Die Sonne setzte ihm immer mehr zu. Sie waren mittlerweile in einen weniger erfreulichen Teil der Stadt gekommen – die Einwohner hier waren ärmer, und obwohl auch sie Bes respektvoll grüßten, wurde das Gefolge des Gottes mit verstohlenen Blicken bedacht.
»Als ob es ein Ort wäre. Vielleicht auch nicht. Es spielt keine Rolle, Junge – du oder ich können sowieso nicht entscheiden, ob es stimmt oder nicht. Ein Haufen sehr gescheiter Leute ist jedenfalls der Ansicht. Aber das einzige, was ich wissen mußte, war, daß diese Gralsleute unschuldige Kinder dafür mißbrauchen, irgendeine Unsterblichkeitsmaschine zu bauen, wie aus einem von diesen Science-Fiction-Dingern, mit denen die Blagen sich den Verstand verdrehen. Da braucht’s keine Religion zu, um zu erkennen, daß das was Schlechtes ist.
Also sind wir dem Kreis beigetreten, und Pastor Winsallen hat uns geholfen, das nötige Geld aufzutreiben, damit wir mit Herrn Al-Sajjid und seinen Freunden in eins von ihren speziellen Schulungszentren fahren konnten. Der Gemeinde haben wir erzählt, wir würden Missionsarbeit bei den Kopten machen, was ja irgendwo auch stimmt. Jedenfalls haben die Leute vom Kreis uns technisch voll ausgerüstet und hierhergeschickt, das heißt, eigentlich haben sie uns wohl nirgends hingeschickt. Manchmal ist es schwer, sich das zu merken, weil es sich anfühlt, als ob wir wo wären. Herr Al-Sajjid und einige von seinen Freunden wie Herr Dschehani, ein Moslem übrigens, waren Ägyptologen, und deshalb hatten sie sich hier eingenistet, aber Leute vom Kreis sind in viele verschiedene Anderlandwelten eingedrungen.
In den ersten Tagen war es ziemlich aufregend, hinter den feindlichen Linien, wie man es sich als Kind vielleicht erträumt, aber als richtige Arbeiter des Herrn. Der Kreis hatte alles arrangiert, das Haus, wo ihr wart, war eine von unsern sicheren Zonen – so sagt man, glaub ich, dazu. Wir hatten ein paar so Häuser, denn Herr Al-Sajjid war ein ziemlich hohes Tier im Palast. Ab und zu sind andere Leute vom Kreis durchgekommen und haben uns berichtet, was anderswo los ist. Es gibt nämlich keine Möglichkeit, zwischen diesen Welten zu kommunizieren, wenn man nicht zu den Gralsleuten gehört.«
Sie holte tief Atem und wischte sich den Schweiß von der Stirn – die Sonne stand jetzt hoch, und es war unangenehm heiß geworden. Orlando fragte sich, wie sie im wirklichen Leben aussehen mochte. Ihr kleiner, rundlicher, unscheinbarer ägyptischer Sim paßte gut zu ihrer Persönlichkeit, aber gerade er wußte sehr gut, daß man Leute nicht danach beurteilen konnte, wie sie in der VR aussahen.
»Wir saßen also hier«, fuhr sie fort, »und stellten, na ja, Nachforschungen an oder so. Der Kreis ist eine große Organisation, und wir waren bloß Fußsoldaten, könnte man sagen. Dabei hab ich zum erstenmal von der Frau mit der Feder gehört, der Frau, die hier Ma’at heißt. Sie taucht auch in andern Welten auf, soweit wir wissen. Vielleicht ist sie eine von den Gralsleuten, oder sie ist bloß irgendein Effekt, den die Ingenieure mehr als einmal eingebaut haben – diese Gearfritzen sind angeblich große Spaßvögel. Aber sie ist nicht die einzige. Auch Tefi und Mewat,
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