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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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besprechen wollten, aber ohne sichtlichen Erfolg. Orlandos Schwert, das der Wolfgott ihm abgeknöpft hatte, war nirgends zu sehen.
    »Findest du dich jetzt allein zurecht, Mütterchen?« fragte Bes Bonnie Mae und holte Orlando damit abrupt in ihre aktuelle Situation zurück. »Oder gibt es jemanden, den ich noch für dich aufspüren soll?«
    »Nein, ich habe die andern gesehen«, antwortete sie. »Vielen Dank.«
    »Gern geschehen, aber du bist mich noch nicht los.« Der Zwerg machte einen drolligen kleinen Schritt, wirbelte auf dem Absatz herum und entfernte sich dann. »Ich hab’s nicht eilig, nach Hause zu kommen«, rief er über die Schulter. »Außerdem gibt es hier jede Menge Leute, von denen mich irgendwer wahrscheinlich in Bälde angehen wird, daß ich ein Ehebett oder eine Geburt segne. Ich schau nochmal bei euch vorbei, bevor ich gehe.«
    Missus Simpkins sorgte dafür, daß sie einen weiten Bogen um Upuauts Thron herum machten, was Orlando sehr erleichterte: Er war noch nicht ganz in der Verfassung, mit dem launischen Gott in Berührung zu kommen. Sie führte sie unbeirrt durch das Notlager an einer der Tempelwände, als wäre dies ihr allmorgendlicher Weg zur Arbeit, und brachte sie schließlich zu einer Gruppe von normalen Sterblichen, die in einer Ecke des Raumes zusammengedrängt neben den zyklopischen Blöcken der Tempelmauer im Halbdunkel saßen. Die Böse Bande, die bei dem vielen, was es im Tempel zu sehen und zu hören gab, wieder auflebte, flog voraus und zog über dem kleinen Häuflein gemächliche Kreise in der Luft.
    Bonnie Mae faßte Orlando links und Fredericks rechts am Arm. »Dies hier sind Freunde«, erklärte sie ihren anderen Verbündeten, insgesamt vier, die die beiden Neuankömmlinge mit müdem Interesse beäugten. »Ich möchte euch im Moment noch nicht ihre Namen sagen«, fuhr sie fort, »weil es hier zu viele Ohren gibt, aber ich hoffe, ihr glaubt mir.«
    Anscheinend zweifelte niemand an ihr, oder vielleicht hatten sie einfach nicht mehr die Energie, Fragen zu stellen. Eine angespannte Erwartung lag in der Luft, als ob alle Gefangene wären, denen der Märtyrertod drohte – was ja durchaus sein konnte, überlegte Orlando nervös.
    Eine der vier, die den fast nackten Sim eines kleinen Mädchens hatte, zupfte Bonnie Mae am Ärmel. »Einige aus dem Götterrudel meinen, daß die Zwillinge nicht länger zögern werden«, erklärte sie mit einer Stimme, die viel älter klang, als die Sprecherin aussah. »Es wird gemunkelt, daß sie bis zum Dunkelwerden warten und dann angreifen.«
    »Das ist Kimi«, sagte Bonnie Mae zu Orlando. »Sie kommt aus Japan, und über ihre Religion bin ich immer noch nicht genau im Bilde – irgendein Kult, nicht wahr, Liebes? Was die Zwillinge angeht … tja, wenn sie angreifen wollen, dann werden sie wohl angreifen. Aber damit bleibt uns nicht viel Zeit, diese beiden hier rauszuschaffen.« Sie seufzte und wandte sich wieder Orlando und Fredericks zu. »Ich sollte euch auch die andern vorstellen.« Sie deutete auf die beiden männlichen ägyptischen Sims, einen alten und einen jungen, die neben Kimi saßen und fröhlich lächelten. »Das da ist Herr Pingalap, und das ist Wassili.«
    »Diese ganzen Leute gehören also zum Kreis?« Orlando hatte das unangenehme Gefühl, daß er, von Belagerungen und politischen Intrigen einmal abgesehen, in irgendeine abstruse religiöse Sammlungsbewegung geraten war.
    Missus Simpkins nickte. »Ja. Herr Pingalap ist Moslem, genau wie Herr Dschehani einer war. Wassili kommt aus Rußland, und er … er hat eine sehr interessante Geschichte.«
    »Sie meint, daß ich früher ein Verbrecher war«, sagte der junge Mann und lächelte noch ein wenig vergnügter. »Bis mir klar wurde, daß die Endzeit nahe herbeigekommen ist – daß die Wiederkunft des Christos bevorsteht. Ich wollte seinen schrecklichen Zorn nicht zu spüren bekommen. Es wäre grauenhaft, in alle Ewigkeit zu brennen.«
    Fredericks lächelte schwach und trat einen Schritt zurück. Orlando blieb stehen, aber nahm sich vor, sich künftig von dem Russen fernzuhalten – Wassili hatte das gleiche fiebrige Leuchten in den Augen wie Upuaut, und Orlando hatte schmerzlich erfahren müssen, was das bedeutete.
    »Ich fürchte, den Namen dieses letzten Herrn dort kenne ich nicht«, fuhr Bonnie Mae fort und lenkte damit Orlandos Aufmerksamkeit auf den Mann am hinteren Rand der kleinen Schar. Der Fremde blickte von einer Fliese auf, die er mit schwarzen Zeichen bekritzelt hatte, zu

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