Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Erwachsene besaß, für sie lediglich eine komplexere Montage aus Markern, Symbolen und Unterprogrammen als sonst – wobei die Böse Bande diese Zusammenhänge mit ihrem Desinteresse an RL-Begriffen einfach so beschrieb: Sachen, die so waren (wie andere Sachen), die ihrerseits so waren (wie andere Sachen), sofern sie nicht mehr so waren (wie die vorvorigen Sachen).
    Orlando war zumute, als versuchte er philosophische Diskussionen in einer fremden Sprache zu führen, in der er kaum »Wo geht’s hier aufs Klo?« sagen konnte.
    Dennoch gelang es ihm schließlich mit einiger Mühe, eine ungefähre Vorstellung von ihren Erlebnissen im Netzwerk zu bekommen, auch wenn er sich sicher war, daß ihm in dem wilden Geschnatter, das ihm fast wie der Bewußtseinsstrom einer Art Gruppenseele vorkam, wichtige Einzelheiten entgingen. Die Bande hatte ganz ähnliche Dinge durchgemacht wie Orlando und Fredericks, wenigstens am Anfang – das Gefühl, in eine Leere hineingezogen und von einer großen und unheimlichen Intelligenz, die sie das Große Fiese Nichts nannten, überprüft, ja regelrecht umlauert zu werden. Doch statt in einer Simulation wie Temilún aufzuwachen, wie es Orlando und Fredericks widerfahren war, hatten die Bandenkinder im Anschluß daran einfach eine lange Dämmerzeit durchlebt. Irgend etwas hatte versucht, mit ihnen in einer Art und Weise zu kommunizieren, die sie entweder nicht ganz verstehen oder Orlando nicht erklären konnten, aber sie erinnerten sich an Bilder von Ozeanen, die es zu überqueren galt, und von anderen wie sie, die auf sie warteten. Nach einer Weile war ihnen ein leichter begreifliches Wesen erschienen, die Gestalt, die sie einfach »die Frau« nannten.
    Die Göttin Ma’at hatte ihnen begütigend zugeredet wie eine Mutter und versprochen, sie würde ihnen nach Kräften helfen, sie sollten keine Angst haben, aber sie hatte ihnen keinen Aufschluß darüber geben können, wo sie sich befanden oder was mit ihnen geschah.
    Mittlerweile jedoch hatten einige der jüngeren Bandenmitglieder es tatsächlich sehr mit der Angst zu tun bekommen. Das wurde noch schlimmer, als eine der kleinsten, ein Mädchen namens Schamina, anfing, vor Schmerz ganz schrecklich zu schreien. Das Schreien hatte nach kurzer Zeit aufgehört, aber das Äffchen war starr und stumm geworden und hatte sich danach nicht mehr bewegt. Orlando vermutete, daß sie von besorgten Eltern offline geholt worden war. Die Erinnerung an Fredericks’ Erlebnis und die Vorstellung, einem ganz kleinen Kind könnte so etwas Furchtbares passiert sein, erfüllten ihn mit kalter Wut.
    Viel mehr wußten die Bandenkinder nicht zu berichten. Getröstet von gelegentlichen Besuchen der Frau hatten sie gewartet und vor sich hingedöst wie eingesperrte Tiere, bis Orlando und Fredericks die Urne zerbrochen und sie befreit hatten. Wie oder warum sie dort hineingeraten waren, war nicht aus ihnen herauszubekommen.
    »Aber wie habt ihr uns an dem Tempel vorbeigelotst?« fragte Orlando.
    »Das war echt megaschlimm«, sagte Fredericks schaudernd. »Sowas will ich nie wieder durchmachen. Nie wieder. Da wär’s mir noch lieber, jemand zieht mir den Stecker raus.«
    Zunni schnitt ein Gesicht, das deutlich machte, wie die Unfähigkeit dieser älteren Kids, die einfachsten Sachen zu kapieren, sie nervte. »Nich vorbei, mitten durch. Zu stark zum von Wegkommen. Musse hin und durch, bevors wieder schnapp macht. Aber du bist schleich, schleich, schleich gangen. Warum?«
    »Ich weiß nicht«, bekannte Orlando. »Irgendwas ist passiert, während ich … da drin war, oder was weiß ich wo, aber ich bin mir nicht sicher, was.« Er wandte sich an Fredericks. »Es war, als ob Kinder mit mir reden würden. Nein, als ob sie in mir drin wären. Millionen von Kindern.«
    Fredericks runzelte die Stirn. »Scännig. Meinst du, es waren solche wie Renies Bruder, die Kinder, die im Koma liegen …?«
    »Könnt ihr Jungs mal auf ein Wort rüberkommen?« rief Bonnie Mae. »Herr Paradivasch möchte euch gern ein paar Fragen stellen.«
    Orlando seufzte. Er hatte gehofft, sich ein wenig ausruhen zu können – sämtliche Muskeln taten ihm weh, und sein Kopf war so schwer wie die Steinblöcke des Tempels. Dennoch krochen er und Fredericks zu den anderen hinüber.
    »Frau Simpkins hat mir eure Geschichte erzählt, jedenfalls soweit sie sie kennt«, sagte der Fremde. »Aber ich würde zu ein paar Punkten gerne Genaueres wissen, falls ich euch damit nicht lästig falle.«
    Orlando mußte

Weitere Kostenlose Bücher