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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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denken, es lähmt mich. Ich muß mich darauf konzentrieren, wo ich bin, was hier gespielt wird, was ich tun könnte, um zu fliehen …
    Aber er ist stolz, dieser Dämon – stolz wie Luzifer, der zu hoch hinaus wollte. Bitte, Gott, mach, daß er für seinen Stolz bezahlen muß, für seine Verachtung. Bitte …«
     
    »Ich werde jetzt fortfahren. Ich schäme mich meiner Tränen, aber hilflos sein ist nichts, was mir leichtfällt. Was mir leichtfällt ist zum Beispiel mich erinnern, und ich will versuchen zu wiederholen, was er zu mir gesagt hat. Das erste war: ›Das Theater kannst du dir sparen. Ich weiß, daß du wach bist.‹ Das wußte ich in dem Moment selber kaum. ›Ich hab gehört, wie dein Atem sich verändert hat. Wenn du Zicken machst, werde ich dich nicht umbringen, aber du wirst dir wünschen, ich hätte es getan. Du weißt, daß ich das tun kann, nicht wahr? Dieses ganze Simulationsnetzwerk ist sehr realistisch, und das gilt auch für Schmerzen. Ich kenn mich da aus – ich hab experimentiert.‹
    Ich sagte, ich hätte verstanden. Ich versuchte, mit gefaßter Stimme zu sprechen. Ich weiß nicht, ob es mir gelang.
    ›Gut‹, sagte er. ›Das ist schon mal ein Anfang. Und wenn wir zusammenarbeiten wollen, ist es wichtig, daß wir uns richtig verstehen. Keine Tricks. Keinen Scheiß.‹ Er hatte die Quan-Li-Stimme ganz aufgegeben, die vorher verwendeten Filter waren abgestellt. Es war eine männliche Stimme mit einem, wie mir scheint, leichten australischen Akzent, ein kultivierter Anstrich über einer Sprache, die rauher und erdiger war.
    ›Was soll das heißen?‹ fragte ich. ›Wieso zusammenarbeiten?‹
    Er schüttelte den Kopf – in dem Moment die einzige Bewegung im Raum. ›Süße‹, sagte er, ›du enttäuschst mich. Ich bin kein Fremder von der Straße. Ich kenne dich. Ich bin tagelang mit dir unterwegs gewesen. Ich hab neben dir geschlafen. Ich hab deine Hand gehalten. Und wenn jemand die cleveren Tricks kennt, die du mit deinem Sonar, oder was weiß ich womit, machen kannst, dann bin ich es.‹
    ›Das heißt?‹ fragte ich.
    ›Das heißt, daß ich ein kleines Problem zu lösen habe und es möglicherweise allein nicht schaffe. Siehst du, ich bin keiner von diesen altmodischen Spießern, die zu stolz sind, um Hilfe von einer Frau anzunehmen.‹ Er lachte, und das Gräßlichste daran war, daß man es, losgelöst von den Worten vorher und nachher, für das Lachen eines charmanten, heiteren Mannes gehalten hätte. ›Du willst mich doch nicht zwingen, dir sämtliche Mittel zu beschreiben, mit denen ich dich zur Einsicht bringen kann, nicht wahr? Ich bin mit scharfen Sachen sehr geschickt.‹
    ›Das habe ich gemerkt‹, erwiderte ich halb aus Zorn, halb in der Hoffnung, ihn am Reden zu halten.
    ›Du denkst an Sweet William?‹ Die angenehme Erinnerung ließ ihn lächeln. ›Dem hab ich wirklich ganz schön den Bauch aufgeschlitzt, was? Das war das Messer, das ich dem fliegenden Mädchen abgeknöpft hatte. Zu schade, daß ich es nicht in die nächste Simulation mitnehmen konnte, da hätte keiner von euch Hand an mich legen können. Oder wenn, wären hinterher nicht mehr alle Finger dran gewesen.‹ Er lachte abermals still vor sich hin. ›Aber keine Bange. Ich treibe mich lange genug in dieser Simulation herum, das Problem ist inzwischen gelöst.‹ Er zog einen gefährlich wirkenden Dolch aus dem Gürtel. Die Waffe hatte einen Handschutz ähnlich dem Korb an einem Säbel, aber die Klinge war kurz, breit und schwer. ›Nettes Gerät‹, erklärte er mir. ›Schneidet Knochen, als wären es Salzstangen.‹
    Ich holte tief Luft und hatte plötzlich das Gefühl, fast alles wäre besser, als daß er mir mit diesem scheußlichen Ding zu nahe kam. ›Was willst du von mir?‹
    ›Ganz einfach, Süße. Ich will, daß du mir hilfst, aus dem Feuerzeug schlau zu werden. Ach, und um uns beiden Zeit und Ärger zu ersparen, halte mich bitte nicht für so dumm, daß ich es dir in die Hand gebe oder dich auch nur in die Nähe kommen lasse. Aber du wirst deine besonderen Wahrnehmungen ein bißchen spielen lassen, damit ich auch ja sämtliche Vorteile aus meinem kleinen Zufallstreffer ziehen kann.‹ Sein breites Grinsen in Quan Lis Gesicht sah bestimmt wie bei einem Totenschädel aus. ›Ich bin ein Gierhals, weißt du. Ich will alles.‹
    Und obwohl er sich eben noch schonungsvoll gebärdet hatte, trug er dann mehrere Minuten lang eine detailverliebte Aufzählung von Körperfunktionen und den Mitteln vor, mit

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