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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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flüsterte Fredericks, als die anderen in der Menge verschwunden waren. »Es wird bald dunkel. Klarer Fall, daß dann was Schlimmes passieren wird, nicht wahr?«
    Orlando konnte nur mit einem Achselzucken antworten.
    Sowohl der Durchgang in der Ecke des großen Saales als auch der kleine Raum dahinter lagen in tiefem Schatten, als Orlando und Fredericks eintraten, aber nicht lange. Hinter einem anderen Durchgang auf der entgegengesetzten Seite des Raumes gab es ein Flackern, dann ein Leuchten. Sie gingen näher. In dem zweiten Raum standen Nandi Paradivasch und der alte Herr Pingalap im goldenen Licht eines Gateways. Einen Moment lang schlug Orlandos Herz höher, doch als er und Fredericks darauf zueilen wollten, hob Nandi warnend die Hand.
    »Kommt nicht zu nahe! Ich hoffe, ihr habt die Affen woanders gelassen. Wir wollen sehen, ob irgend etwas durchkommt.«
    Sie blieben stehen. Alle vier warteten still, bis das Gateway erlosch, so daß nur noch eine kleine Öllampe das fensterlose Steingelaß erhellte.
    »Du hast es zugehen lassen …!« protestierte Orlando.
    »Ruhig, bitte.« Nandi hob abermals die Hand und wandte sich dann an Pingalap. »Wie lange?«
    Der alte Mann wiegte den Kopf. »Ungefähr dreißig Sekunden, würde ich meinen.«
    »Wir versuchen, die Dauer des aktiven Leuchtens festzustellen«, erläuterte Nandi. »Also wie lange das Gateway offen bleibt, wenn keine Leute durchgehen – so wie eine sensorgeregelte Fahrstuhltür, versteht ihr?« Er gestattete sich ein kleines Lächeln. »Doch noch wichtiger ist die Frage, wie lange es dauert, bis ein Gateway in eine beliebige Simulation die Verbindung wechselt – die Erfahrungen anderer Leute lassen vermuten, daß es fast sofort nach jeder Benutzung sozusagen eine Stelle weiterrückt. Wir kommen der Klärung näher, aber ein wesentliches Experiment müssen wir noch durchführen. Wir können hier zwar jederzeit ein Gateway öffnen, wenn wir wollen, aber unser Problem ist folgendes: Wenn meine Hypothese über den Zyklus im ganzen nicht richtig ist, können wir nicht wissen, wohin es sich öffnet, in welche Simulation.« Er wandte sich wieder seinem Kollegen zu. »Bist du soweit, mein Herr?«
    Herr Pingalap nickte. Dann zog er vor den erst überrascht, dann verlegen dreinschauenden Fredericks und Orlando sein leinenes Kleidungsstück aus, das so lang wie ein Laken und nur geringfügig schmaler war. Während Nandi den langen Lendenschurz in zwei Teile riß und die beiden Enden verknotete, wartete der alte Mann splitternackt, nahm dann das improvisierte Seil und band es sich um die Taille.
    Als er das Erstaunen der beiden sah, schmunzelte Nandi. »Herr Pingalap wird jetzt hindurchgehen, aber wenn er nicht zurückkommen kann, wird uns das, was er entdeckt, wenig nützen.«
    »Aber es muß doch hier irgendwo ein Seil geben …«, sagte Fredericks, der sich alle Mühe gab, den alten Mann in seiner gut simulierten runzligen Nacktheit nicht anzugaffen.
    »Begreift doch«, versetzte Pingalap ein wenig ungehalten, »ein Seil aus dieser Simulation wird in der nächsten nicht erhalten bleiben, während die Sachen, die ich anhabe, übertragen werden.« Er lächelte, wie um seine Verdrießlichkeit wiedergutzumachen. Die wenigen Zähne, die er noch hatte, wiesen eine interessante Vielfalt von Farbschattierungen auf, aber Weiß war nicht darunter.
    »Verstehe«, nickte Fredericks.
    »Aber du hast doch gesagt, du wüßtest, wohin sich das Gateway öffnen wird«, wandte Orlando ein. Sein Traum, aus dieser Simwelt wegzukommen und mit diesem zermürbenden Abenteuer weiterzumachen, solange er noch die Kraft dazu hatte, kam ihm auf einmal albern vor.
    »Ich glaube es«, antwortete Nandi ruhig. »Aber wenn wir uns nicht vergewissern, werde ich nicht wissen, in welchem Teil des Zyklus wir uns befinden, und damit auch nicht, ob meine hypothetische Reihenfolge stimmt. Bist du bereit, Herr Pingalap?«
    Der alte Mann nickte und schlurfte in die Mitte des Raumes, wo das Lampenlicht auf eine Sonnenscheibe fiel, die in den Boden eingemeißelt war. Das hinterherschleifende Leinentuch sah auf bizarre Weise wie ein Brautschleier aus. Nandi folgte ihm bis an den Rand des Bodenreliefs und drehte sich dann zu den Teenagern um.
    »Nehmt ihr beide bitte das Ende und haltet fest? Ich hatte eigentlich mit Wassilis Hilfe gerechnet, aber er scheint irgendwo herumzubummeln.«
    »Wäre es nicht besser, wenn wir uns das Tuch auch umbinden würden?« fragte Orlando.
    »Es wäre gewiß sicherer, aber er

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