Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Ausdruck der Glückseligkeit im Gesicht. »Im Grunde eine Schlucht, aber der Wind hat mich gepackt und mich über den Rand geblasen. Ich bin heilfroh, daß ihr mich fest an der Leine hattet.«
Nandi betrachtete stirnrunzelnd seine Berechnungen. »Eigentlich hätte das afrikanische Reich des Priesters Johann kommen müssen – könnte es das gewesen sein?«
Der alte Mann schlug sich auf seine knochigen Knie und richtete sich auf. »Ich weiß es nicht. Außer Felsen und Bäumen habe ich nichts gesehen – ich war vollauf damit beschäftigt, wie ein Drachen an einer Schnur zu fliegen.«
»Wir müssen es noch einmal machen«, meinte Nandi.
Die Bande ließ sich langsam nieder. »Was warn das fürn Leuchtedings?« fragte Zunni, die sich auf Orlandos Nase gesetzt hatte, so daß dieser nur einen bananenfarbenen Klecks sah. »Wieso Tür da, dann Tür weg?«
Orlando begriff, daß die Bande noch nie ein Gateway gesehen hatte, und im Hochstemmen vom Boden wunderte er sich abermals darüber, daß die Kinder geradewegs in diese ägyptische Simulation gekommen und dort gefangengesetzt worden waren, während er und Fredericks und die anderen, die der sogenannte Einsiedlerkrebs eingeschleust hatte, in Bolívar Atascos Temilún gelandet waren.
Wie ist das gekommen … und warum …?
Er wurde in seinen Grübeleien unterbrochen. Bonnie Mae Simpkins betrat den Raum mit Kimi und einem unlustigen Wassili im Schlepptau. »Am Eingangstor ist irgendwas los«, erklärte Bonnie Mae besorgt, an Nandi gewandt. »Die Soldaten draußen klingen, als machten sie sich bereit, und dieser große Sphinxkerl – wie heißt er noch? Saf? – hat sich hingestellt. Er sagt kein Wort, aber er steht da, als wenn er wartet. Mir gefällt das nicht.« Sie sah die auf Orlando verteilten Affen, und ihre Augen verengten sich. »Da seid ihr kleinen Monster ja. Ich werde euch Schlingel in einen Sack stecken.«
»Schon weg, schon weg!« kreischten die Äffchen, fuhren in einem gelben Wirbelwind auf und schossen an ihr vorbei und durch den Vorraum zurück in den großen Tempelsaal.
»Das ist nicht witzig!« schrie Bonnie Mae hinter ihnen her. »Kommt sofort zurück!« Zum erstenmal, seit Orlando sie kannte, hörte sie sich richtig ängstlich an, aber die Affen waren rasch genug außer Hörweite gekommen, um sich der zwingenden Kraft ihrer Stimme zu entziehen. »Es sind Kinder, sie begreifen nicht, wie gefährlich das hier ist«, sagte sie hilflos. »Wassili, Kimi, kommt und helft mir, sie wieder einzufangen.«
Die beiden Frauen eilten hinaus, doch Wassili blieb an der zweiten Tür stehen und ließ seinen Blick durch die Haupthalle schweifen. »Der Kampf wird bald losgehen«, rief er nach hinten gewandt. Der entrückte Ton, in dem er das sagte, machte den Eindruck, als könnte er es kaum erwarten.
»Ein Grund mehr, daß du ihnen hilfst, diese Kinder zu finden«, rief Nandi zurück. »Wir können hier keine Ablenkung gebrauchen.« Er drehte sich um und gab Herrn Pingalap einen Klaps auf die Schulter. »Vorwärts, wenn ich bitten darf.« Während Orlando und Fredericks erneut Aufstellung nahmen und sich das Tuch um die Fäuste wickelten, rief der schlanke Mann das nächste Gateway auf. »Geh hindurch!«
Als der nackte alte Mann im Licht verschwunden war, sagte Nandi zu Orlando: »Es ist eigenartig, daß ihr beide nach Troja wollt. Ich bin einem Mann begegnet, der auch dorthin unterwegs war, oder wenigstens in einen andern Teil derselben Simulation. Ein sehr ungewöhnlicher Mann war das. Kennt ihr jemanden mit dem Namen Paul … Wie hieß er nochmal?« Er spielte an seiner Unterlippe und versuchte sich zu erinnern, war aber von dem Geschehen um ihn herum deutlich abgelenkt. »Brummond?«
Orlando schüttelte den Kopf. Er blickte Fredericks an, doch sein Freund zuckte nur mit den Schultern: Es war anscheinend kein Name, der Orlando während einer seiner akuten Krankheitsphasen entgangen war.
Ein paar Sekunden später war Herr Pingalap wieder da und gab eine Beschreibung ab, in der Nandi die Priester-Johann-Simulation zu erkennen meinte, von der er vorher gesprochen hatte. Seine Stimmung hob sich ein wenig. »Vielleicht habe ich das Schema jetzt heraus – die Variationsbreite ist ein wenig größer, als ich vermutet hatte, das ist alles. Als nächstes müßte Kalevala kommen und dann ein Ort, an dem ich noch nie war, aber den meine Informanten das Schattenland nennen – anscheinend ist es dort die ganze Zeit fast völlig finster.« Nachdenklich sortierte er die
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