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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mehrmals gerade noch wegrollen, aber schließlich hatte er keine Ausweichmöglichkeit mehr. In seinem ohnmächtigen Entsetzen merkte Paul erst nach einem Moment, daß er auf etwas stand, das ihm den Fuß verbrannte.
    Der Zyklop hatte schon den Stab erhoben, um Azador an die Wand zu nageln, als Paul den Fuß an die Schere setzte, die noch in der mächtigen Wade wackelte, und sie ein Stück tiefer ins Fleisch hineintrieb. Der Riese wirbelte brüllend herum und drosch mit dem Handrücken nach Paul, doch dieser hatte den Schlag erwartet und konnte sich darunter wegducken, um dem Wütenden im nächsten Moment den Napf voll schwelender Glut ins Gesicht zu schleudern.
    Er hatte sich nicht mehr davon versprochen, als das Ungeheuer einen Moment lang zu blenden, so daß sie die Flucht zum Höhlenausgang probieren konnten. Er hatte nicht erwartet, daß sich das im Gesicht und am Oberkörper klebende Pech entzünden und das Feuer prasselnd den Bart hinauflodern würde.
    Flammen hüllten den Kopf des Zyklopen ein. Seine Schmerzensschreie waren so laut, daß Paul zu Boden sank und sich die Ohren zuhielt. Polyphem drehte sich um und stürzte nach draußen, wobei er die große Steinplatte zur Seite stieß. Als sie polternd ins Innere rollte, konnte Azador Paul gerade noch aus der Bahn ziehen, bevor sie ein letztes Mal schlingerte und auf den Höhlenboden krachte.
    Eine ganze Weile konnte Paul nur zusammengekrümmt auf der Seite liegen. Sein Schädel fühlte sich an, als wäre er innen zu Brei zermatscht worden, und er hörte nichts als einen einzigen gellenden Ton. Als er aufblickte, stand Azador vor ihm, blutig, aber am Leben. Er bewegte die Lippen, aber Paul konnte kein Wort verstehen.
    »Ich glaube, ich bin taub«, sagte Paul. Seine eigene Stimme, leise wie ein Flüstern und fast völlig übertönt von dem schmerzhaften Singen im Kopf, schien vom anderen Ende eines riesengroßen Raumes zu kommen.
    Azador half ihm auf. Sie blickten zum offenen Eingang, beide mit der unausgesprochenen Frage, wie lange es dauern würde, bis der Riese die Flammen gelöscht hatte und voller Verbrennungen und Rachedurst zurückkam. Azador deutete auf das Floß, offensichtlich mit der Absicht, es abzutransportieren, aber Paul schüttelte nur den Kopf und stolperte zum Ausgang hinaus. Sie konnten nicht wissen, wieviel Zeit ihnen blieb; länger zu verweilen als unbedingt nötig war reiner Selbstmord. Er konnte den anderen Mann nicht hören, aber er wußte, daß Azador seine Feigheit verfluchte.
    Draußen färbte das erste Licht des Morgengrauens den Himmel und ließ die Bahn erkennen, die sich der Riese durch den Wald gebrochen hatte, wohl auf der Suche nach Wasser. Sie folgten dem Pfad der Verwüstung, aber hielten sich links und rechts zwischen den Bäumen versteckt. Der Pfad führte im Zickzack bergab bis hinunter zum Meer.
     
    Sie fanden den Zyklopen mit dem Gesicht nach unten auf einem Felsplateau liegen, von Rauch umringelt wie ein besiegter, brennend vom Olymp zur Erde geschleuderter Titan. Im Schafsfellkittel züngelten hier und da Flammen, vom Wind angefacht. Auch der Kopf des Unholds, nur mehr ein unförmiger schwarzer Klumpen auf den Schultern, schwelte noch. Er war mausetot.
    Paul ließ sich auf den Stein daneben sinken und hätte weinen können vor Glück, daß er am Leben war und wieder das Licht des Himmels sehen durfte. Er konnte Azadors Worte nicht verstehen, aber die verächtliche Miene des Mannes war leicht zu deuten.
     
    Nachdem das Ungeheuer vernichtet war, wußten sie zwar immer noch nicht, wie sie von der Insel wegkommen sollten, aber sie hatten es damit auch nicht besonders eilig.
    Den ersten Tag brachten sie einfach damit zu, sich von dem Kampf zu erholen, zu schlafen und ihre angeschlagenen Körper zu pflegen. Die meisten Blessuren waren nicht viel mehr als Schnitte und Prellungen, doch Azadors Rippen hatten einen harten Schlag abbekommen, und Paul konnte zwar wieder hören, aber hatte Verbrennungen an den Füßen und an den Stellen an Händen und Brust, wo er mit der Glut in Berührung gekommen war. Als die Sonne am Abend auf den Horizont zusank, schlug Azador vor, in der Behausung des Riesen zu schlafen, doch Paul wollte nicht mehr Zeit in dem stinkenden Loch verbringen als unbedingt nötig. Zu Azadors Verdruß bestand er darauf, daß sie ihr Lager vor der Höhle aufschlugen, wo sie zwar den Elementen ausgesetzt waren, aber frische Luft atmen konnten.
    Azador fing und schlachtete eines der Schafe des Zyklopen, die sich nach

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