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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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auch wenn sie wieder einmal ihr Intimleben vor uns ausbreitet, wie schon der Titel ’Bestimmt drei Stunden hab ich vor dem Lokal auf dich gewartet, Carlo Gunzwasser, du mieser kleiner Pinscher’ nur zu deutlich macht …«
     
     
    > Orlando war so müde, daß er kaum noch stehen konnte. Ein Arm hing schlaff herab, fast gebrochen von einem Keulenschlag, den ein Schildkrötenmann ihm versetzt hatte. Bis auf das tiefe, grollende Schnaufen des um sein Leben kämpfenden Sphinx war es in dem düsteren Tempel beinahe still; die wenigen Überlebenden der Belagerung hockten wimmernd in dunklen Winkeln oder versteckten sich hinter Statuen, aber es half ihnen wenig. Die Luft war mittlerweile so gut wie leer von fliegenden Bestien, aber nur weil die meisten sich zum Fressen niedergelassen hatten – der Tempelboden war übersät von Fledermäusen und Schlangen in zuckenden, zusammengeklumpten Haufen, die in etwa die Form menschlicher Leiber hatten.
    Aber sterbende Sphinxe und geflügelte Schlangen waren Orlandos geringste Sorge.
    Die größere der beiden grotesken Gestalten vor ihm hatte Fredericks’ bewußtlosen Körper in der Hand baumeln wie einen ausgenommenen Fisch. Mewats zähnefletschendes Lachen zeigte, wie sehr der aufgeschwemmte Kobramann sich an der Macht weidete, die er und der augenlose Tefi besaßen. Trotz der vielen Schrecklichkeiten, die Orlando gesehen und überlebt hatte, erfüllten diese beiden ihn mit einem kaum zu bezwingenden Grauen, einer Panik, die ihm die Luft abschnürte und das Herz stocken ließ. Gleichzeitig jedoch wurde er bei Fredericks’ Anblick von noch einem anderen Gefühl ergriffen: Die Art, wie er seinen Freund – seine Freundin! – wahrnahm, wandelte sich plötzlich auf unerwartete Weise. Mit seinen letzten Kraftreserven hob er sein Schwert hoch und hoffte dabei, daß seine Feinde in dem flackernden Fackelschein nicht sahen, wie es zitterte. »Laßt sie gehen«, sagte er. »Sie und ich werden sofort verschwinden. Wir haben keinen Streit mit euch.«
    Tefis Geierschnabelgrinsen wurde noch breiter. »Sie?« Er richtete die leeren Augenhöhlen auf Fredericks’ männlichen Pithlitsim. »Wir haben uns also ein bißchen kostümiert, was? Und wie war das – sie gehen lassen? Ich glaube kaum. Nein, aber du wirst mit uns kommen, oder wir pflücken sie vor deinen Augen in Stücke. Willst du das etwa? Du und deine Leute, ihr müßt doch inzwischen gemerkt haben, daß es kein Entkommen aus dem Netzwerk gibt – daß alles, was hier mit euch geschieht, nur zu real ist.«
    Orlando trat einen Schritt näher. »Das ist mir egal. Wenn ihr meiner Freundin was tut, nehme ich wenigstens einen von euch mit. Einen von euern Schildkrötenheinis hab ich schon geext.« Er fühlte sich nicht bemüßigt hinzuzufügen, daß ihn das beinahe sein letztes bißchen Kraft gekostet hatte.
    Der dicke Mewat riß vergnügt die Augen auf und stieß einen lauten, langgezogenen Rülpser aus. »Oho, so ein böser Junge bist du?« zischte er Orlando an. »Ist das zu glauben?«
    Ein lautes Krachen unmittelbar hinter ihm ließ Orlando zusammenfahren. Er wirbelte herum und sah, wie der Türsphinx Saf von dem stierköpfigen Kriegsgott Month, der ihm wie ein Terrier am Hals hing, zu Boden gezerrt wurde. Reschef bohrte Saf abermals seine langen Hörner in die Seite, und der große Sphinx gab ein langes, tiefes Ächzen von sich, das sich anhörte, wie wenn ein Windstoß durch eine menschenleere Straße fegt. Der riesige Wächter kämpfte sich wieder auf seine Löwenbeine hoch, aber er wurde sichtlich immer schwächer.
    »Hier sind wir so gut wie fertig.« Tefi stakste einen Schritt auf Orlando zu. »Ihr habt verloren, du und deine Leute. Wenn du ohne Gegenwehr mitkommst, lassen wir deine Freundin laufen – wir brauchen schließlich nur einen von euch. Denn wenn wir dich in unser Geheimversteck bringen, wirst du uns alles erzählen, was du weißt, und dir wünschen, du hättest noch mehr zu erzählen.«
    Meine Leute? Wissen sie von Renie und den andern? Orlando konnte sich Tefis Worte nicht anders deuten. Der Geiermann wußte, daß Orlando ein Bürger war, ein echter Mensch – er konnte nicht auf die Idee verfallen, daß er mit diesem Aufstand in der ägyptischen Simwelt irgend etwas zu tun hatte.
    Nein, begriff er plötzlich, sie denken, daß wir zum Kreis gehören. Die Gruppe war wirklich eine Bedrohung für die Gralsleute, wenigstens wollte sie gern eine sein. Konnte er daraus irgendeinen Vorteil ziehen? Vor Angst vermochte er

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