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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Pferde, freie Wahl der Beute, wenn sie Troja endlich einnähmen, obendrein Städte und Ländereien in Agamemnons heimischem Argos und eine von seinen Töchtern zur Frau. Dann beschwor er Paul, sich mit Phoinix und Ajax zu Achilles zu begeben und ihn umzustimmen. Nachdem sie mit ihm Wein aus schweren metallenen Kelchen getrunken und etwas davon als Opfer an die Götter gespendet hatten, traten Paul und die anderen wieder ins Freie. Die Sonne war hinter den Wolken verschwunden, und die Ebene von Troja sah mit einemmal tot und trostlos aus, ein grauer, brauner und schwarzer Sumpf, der bereits ganze Armeen von Helden verschlungen hatte.
    Ajax schüttelte sein mächtiges Haupt. »Agamemnons eigene Halsstarrigkeit ist schuld, daß es so um uns steht«, grollte er.
    »Alle beide sind sie halsstarrig«, erwiderte der alte Phoinix. »Warum sind die Großen immer so rasch zornentbrannt, so maßlos stolzgeschwellt?«
    Paul hatte das Gefühl, daß eine Bemerkung von ihm erwartet wurde, vielleicht irgendein tiefgründiger odysseischer Sinnspruch über die Torheit der Mächtigen, aber er war noch nicht ganz soweit, bei dieser klassischen Konversation mithalten und solche hochtrabenden improvisierten Reden schwingen zu können. Zum Ausgleich dafür versuchte er, gebührend besorgt dreinzublicken.
    He, wart mal, dachte er plötzlich. Ich hab weiß Gott Grund, besorgt zu sein. Wenn die Trojaner über uns herfallen und uns ins Meer treiben – was durchaus der Ausgang in dieser Runde der Simulation sein könnte –, dann erwischt es nicht bloß einen Haufen geschwollen daherredender Replikanten. Es erwischt auch mich und Azador.
    Eingelullt von der Bekanntheit der Namen, nachgerade bezaubert davon, so einen berühmten Ort zum Leben erweckt zu sehen, hatte er genau das aus den Augen verloren, was er sich geschworen hatte, nie wieder zu vergessen.
    Wenn ich es nicht ernst nehme, ermahnte er sich erneut, bringt es mich um.
     
    Das Lager von Achilles und seinen Myrmidonen lag am äußersten Rand der griechischen Flotte; Paul und seine Begleiter gingen lange im grauen Schatten der Schiffe dahin. Die Myrmidonen saßen oder standen würfelspielend und streitend vor ihren Zelten und kamen Paul ziemlich gereizt und angespannt vor. Als er und die anderen näher traten, waren die Mienen der ihnen entgegenblickenden Männer grimmig oder verschlossen vor Scham; keiner rief ihnen einen fröhlichen Gruß zu wie die anderen Griechen. Das Zerwürfnis zwischen Agamemnon und Achilles wirkte sich sichtlich ungut auf die Moral aus.
    Achilles’ Hütte war nur wenig kleiner als die des Agamemnon, aber roh gezimmert und unverziert – ein Platz, wo ein berühmter Held nicht viel anderes tat als schlafen. Ein schlanker junger Mann saß auf einem Hocker vor der Tür, das Kinn in die Hände gestützt und mit einem Blick, als hätte er seinen besten Freund verloren. Sein Panzer saß ein wenig schief, so als wären die einzelnen Teile nicht richtig angeschnallt worden. Als er ihre Schritte hörte, hob er den Kopf und sah Paul und die anderen nervös an, schien aber niemanden zu erkennen.
    Der alte Phoinix jedoch erkannte ihn sehr wohl und grüßte ihn. »Bitte, treuer Patroklos, sage dem edlen Achilles, daß Phoinix sowie der wackere Ajax und der vielberühmte Odysseus ihn zu sprechen wünschen.«
    »Er schläft«, sagte der junge Mann. »Ihm geht’s nicht gut.«
    »Auf! Er wird doch gewiß seine alten Freunde nicht abweisen.« Phoinix konnte seinen Unmut nicht ganz verbergen. Patroklos blickte erst ihn, dann Paul und den mächtigen Ajax an, als versuchte er sich darüber klarzuwerden, was er tun sollte.
    Etwas an dem Zögern des jungen Mannes rief in Paul abermals das Gefühl der Bedrohung wach. Daß dieser Patroklos in so einer heiklen Situation, hin- und hergerissen zwischen den Wünschen geehrter Waffenbrüder und dem Stolz seines Herrn Achilles, nicht recht wußte, wie er sich verhalten sollte, war natürlich, aber irgend etwas an dem Mann kam ihm unstimmig vor.
    »Ich sag’s ihm«, erklärte Patroklos schließlich und verschwand in der Hütte. Kurz darauf kam er mit mißbilligender Miene wieder heraus und nickte ihnen, einzutreten.
    Jemand hatte einige Mühe darauf verwendet, die Behausung sauber aufzuräumen; der sandige Boden war mit einem Zweig gefegt und der Panzer und ein paar andere Habseligkeiten waren alle ordentlich an einer Wand deponiert worden. In der Mitte des Raumes, auf einem aus Ästen gebauten Bett, lag auf einer Wolldecke ausgestreckt

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