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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Hütte Agamemnons schleppte, damit dieser sich an der guten Neuigkeit mitfreuen konnte.
    Paul Jonas beugte sich dicht zu ihr heran, während ihm ringsherum Leute auf den Rücken schlugen und zu seinem Heldenmut gratulierten. »Wir können uns das nicht leisten. Der Engel, die Vogelfrau … sie sagte, die Zeit sei knapp.«
    »Guck nicht mich an!« zischte Renie entnervt. »Du bist angeblich der klügste Mann in ganz Griechenland – laß dir was einfallen!«
    Von dem Lärm alarmiert kam Agamemnon aus seiner Hütte heraus. Mit halb angeschnalltem Panzer und zersausten Ringellocken sah der mächtige Mann aus wie ein im Winterschlaf gestörter Bär. »Ah, gottgleicher Odysseus, du hast wahrlich eine unauslöschliche Heldentat vollbracht«, sagte der Griechenführer mit einem harten Grinsen. »Sarpedon wird das Herz in der Brust schwer werden, wenn er erfährt, daß wir seinen Vetter lebendig in unserer Gewalt haben. Selbst den männermordenden Hektor werden Zweifel befallen, ob die Götter ihm noch gewogen sind.«
    »Wir haben nicht viel Zeit«, erklärte Jonas. »Ich habe diese Trojaner vernommen, und sie sagen, daß der Angriff bei Tagesanbruch erfolgen wird.« Er blickte Renie und !Xabbu an, und diese nickten – selbst aus dem wenigen, was sie mit anderen Trojanern nach der Schlacht geredet hatten, war das deutlich hervorgegangen. »Diesmal wollen Hektor und die andern uns vollends ins Meer treiben.«
    Agamemnon streckte einen Arm aus, damit ihm einer seiner Bedienten eine kunstvoll verzierte bronzene Armschiene anlegen konnte. »Das war zu erwarten. Wir werden jedoch alle bereit sein – du, edler Odysseus, und mein Bruder Menelaos und der gewaltige Ajax und der Rufer im Streit, Diomedes. Die Trojaner werden zu spüren bekommen, was für Männer in den griechischen Gauen geboren werden, und viel trojanisches Blut wird ihre Erde tränken.«
    Renie hätte beinahe vor Ungeduld geschrien, als Agamemnon sie alle in seine Hütte befahl, damit er seine Garderobe beenden konnte. Trotz Jonas’ Versicherungen, die Gefangenen hätten sich ergeben und solche Vorsichtsmaßnahmen seien überflüssig, wurden sie und ihre beiden Freunde von Lanzenträgern mit hohen Helmen umstellt, deren halb verschreckte, halb zornige Mienen sie noch nervöser machten als Agamemnons unpersönliche Härte.
    »Möglicherweise verheimlichen uns diese Feinde noch mehr«, meinte der Oberbefehlshaber. »Wir werden sie ein bißchen stechen und bluten lassen und so herausfinden, ob sie uns alles gesagt haben, was sie wissen.«
    »Bitte«, sagte Jonas, der sich zusammenreißen mußte, damit man seine Verzweiflung nicht durchhörte. »Ich werde sie mit … subtileren Mitteln bearbeiten. Überlaß sie mir.«
    Agamemnon hatte eben noch das rituelle Trankopfer aufs Feuer gegossen und zögerte jetzt, da ihm die Aussicht, ein paar Trojaner zu foltern, sichtlich behagte. Da waren draußen plötzlich aufgeregte Stimmen zu hören, und ein alter Mann kam wild gestikulierend zur Tür hereingestürzt.
    »Die Trojaner sind vor den Mauern!« heulte er. »Apollons goldener Wagen hat sich noch nicht über die Hügel geschwungen, und doch rennen sie bereits gegen unser Tor an wie tolle Hunde!«
    Agamemnon klatschte in seine fleischigen Hände zum Zeichen, daß er seinen buschigen Helm haben wollte. »Dann auf, gehen wir! Laß die Gefangenen bei diesen Wachen, hehrer Odysseus. Deine Ithakesier warten auf dich, und es wird ein furchtbares Morden geben.«
    »Gewähre mir noch ein kleines Weilchen«, bat Jonas ihn. »Unter Umständen vermag ich diesen Trojanern etwas zu entlocken, das den großen Achilles zum Kampf bewegen könnte. Das wäre die Zeit doch sicher wert, nicht wahr?«
    Der Heerführer legte den Kopf schief. Sein Roßhaarbusch wippte wie ein Pfauenschweif. »Gewiß, allerdings bezweifele ich, daß du den Sinn des Unbeugsamen jetzt noch mit irgend etwas ins Wanken bringen kannst.« Er marschierte zur Tür, sein Gefolge hinterher. Als Renie eben erleichtert aufatmen wollte, blieb er stehen und drehte sich um, das Gesicht von Mißtrauen verzogen. »Schworst du mir nicht, vielkluger Odysseus, Achilles könne nicht kämpfen, weil er krank sei?«
    »So ist es«, antwortete Jonas, der darauf nicht vorbereitet gewesen war. »Ja, so ist es. Aber … aber vielleicht ist es ein von den Göttern gesandtes Leiden, und wenn sie jetzt beschlossen haben, uns hold zu sein, haben sie ihn ja vielleicht wieder geheilt.«
    Agamemnon starrte ihn einen Moment lang an, dann nickte er

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