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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vereitelt, die durch die Tür gesaust kamen und sich auf seinen Armen und Beinen und diversen anderen Flächen in dem spärlich eingerichteten Zimmer niederließen.
    »Wach! Landogarners wach!« kreischte Zunni fröhlich und sprang von seinem Knie, um einen kleinen Salto in der Luft zu machen. »Jetzt dicke Spaßbombe puffi machi!«
    »Kawumm!« schrie ein anderes Äffchen und tat so, als würde es explodieren, indem es sich gegen einige seiner Gefährten warf und einen großen Ringkampf auslöste, der Orlandos Bauch hinunterrollte und furchtbar kitzelte.
    »Runter von ihm, ihr Hallodris!« sagte Missus Simpkins gereizt. »Der Junge ist krank. Auch wenn wir hier im alten Ägypten sind, heißt das noch lange nicht, daß es keine Besen gibt, und wenn ihr nicht wollt, daß ich eure ganze Rasselbande hier rausfege, dann setzt auch da auf den Stuhl und benehmt euch anständig.«
    Daß die Böse Bande diesem Befehl sofort nachkam, war eine der erstaunlichsten Sachen, die Orlando je gesehen hatte. Sein ehrfürchtiger Respekt vor der kleinen runden Frau stieg noch eine Stufe höher.
    Fredericks kam herein, rieb sich die verquollenen Augen und gab dabei die neueste Meldung ab. »Da draußen schreit ein Haufen Leute rum.«
    »Freddicks!« riefen die Affen. »Pithpith, der große Dieb! Komm, spielen! Spielen!«
    »Allerdings«, sagte Missus Simpkins. »Falls Orlando sich stark genug fühlt, gehen wir aufs Dach und schauen mal.«
    Nachdem er sich langsam hochgequält hatte, stellte Orlando mit Genugtuung fest, daß er sich immerhin einigermaßen auf den Beinen halten konnte. Er folgte ihr in den Flur, Fredericks und die Affen dicht dahinter. Das Haus war größer, als Orlando angenommen hatte – der Flur allein war fast fünfzehn Meter lang –, und die schönen Wandmalereien von Blumen und Bäumen und einem Binsenfeld voller Enten deuteten darauf hin, daß es einer bedeutenden Persönlichkeit gehören mußte.
    »Ja, so ist es«, beantwortete seine Führerin die Frage. »Oder so war es. Es gehörte Herrn Al-Sajjid, der Staatssekretär im Palast war, ein königlicher Schreiber.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Weil ich noch nicht fertig erklärt habe. Alles zu seiner Zeit.«
    Sie führte die Schar den Flur hinunter, durch eine Reihe von Familiengemächern und in einen luftigen Säulenraum, der wohl das Schlafzimmer des Hausherrn gewesen war, aber allem Anschein nach schon länger nicht mehr benutzt wurde. Eine Tür führte von dort in einen schönen umfriedeten Garten mit Blumenpergolen und einem Teich; Orlando staunte, wie sehr die Anlage einem modernen Garten glich. Sie verweilten nicht darin, sondern gingen hinter der voranstampfenden Missus Simpkins über mehrere Rampen aufs Dach hinauf, das flach und mit Lehm verputzt war. An einem Ende war ein Sonnendach aufgespannt worden, und in seinem Schatten verteilte Polster und Hocker sowie ein hübscher kleiner Tisch aus bemaltem Holz zeigten, daß dies an warmen Tagen wahrscheinlich ein beliebter Aufenthalt war.
    Orlando bemerkte diese Details im Vorübergehen, aber unmittelbarer faszinierte ihn der Anblick der sich zu allen Seiten ausbreitenden Stadt selbst. Jenseits der Gärten und Mauern der großzügigen Villa lagen andere, ähnliche Anwesen, umgeben von einem breiten Gürtel kleinerer Häuser in schmaleren Straßen, die sich nach außen hin bis zum Fluß erstreckten. Selbst aus so großer Distanz erkannte er nackte Menschen, die sich an den Ufern im Schlamm zu schaffen machten, vielleicht Lehmziegel für weitere Villen stachen. Obwohl immer noch Hunderte von Booten und Schiffen auf ihm verkehrten, hatte der Nil offensichtlich einen sehr niedrigen Wasserstand und waren die Schlammfelder breit.
    Aber das interessanteste Panorama eröffnete sich in der Gegenrichtung zum Fluß. Im äußersten Westen, herrlich auf dem Grat der Berge gelegen, die parallel zum breiten Nil verliefen, erblickte Orlando eine wunderschöne Stadt von Tempeln und Palästen, so blendend weiß, daß sie selbst in der relativ milden Morgensonne wie eine Fata Morgana flimmerte.
    »Abydos«, sagte Missus Simpkins. »Aber nicht wie im echten Ägypten. Das da ist der Wohnsitz von Osiris. Einen ›Leibhaftigeren‹ als ihn wird hoffentlich keiner von uns je zu Gesicht bekommen.«
    Näherbei, an den Vorhügeln klebend wie Entenmuscheln am umgedrehten Rumpf eines Bootes, lagen noch viele andere Tempel ganz unterschiedlichen Stils; zwischen den Tempelhügeln und Orlandos erhöhtem Blickpunkt erstreckte sich die Stadt

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