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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Instruments, »nehmen wir auch zum Seileflechten. Alles wird möglichst vielseitig verwendet. Nichts bleibt ungenutzt.«
    Sie versuchte sich das vorzustellen. »Den Teil finde ich gut. Aber ich weiß nicht, ob ich gern Insektenlarven essen würde.«
    »Und Ameiseneier«, erklärte er ernst. »Die essen wir auch.«
    »Igitt! Das sagst du nur so!«
    »Nein, ich schwöre es«, versicherte er, doch er mußte wieder lächeln. »Sam, ich bange um dieses Leben, und Ameiseneier würden mir sehr fehlen, wenn ich nie wieder welche essen dürfte, doch ich weiß, daß diese Art zu leben den meisten Menschen nicht gefallen würde.«
    »Es hört sich so hart an.«
    »Das ist es.« Er nickte, auf einmal ein wenig distanziert, ein wenig traurig. »Das ist es.«
     
    Der endlose Marsch fand schließlich ein vorläufiges Ende. Jongleur humpelte, obwohl er nicht zugeben wollte, daß er Schmerzen litt. Sam, die ebenfalls wunde Füße hatte und erschöpft war, mußte ihren Stolz fahrenlassen und zu bedenken geben, daß sie vielleicht langsam rasten sollten.
    Sie war inzwischen außerordentlich geübt darin, ohne Kissen oder Decke zu schlafen – die vielen Ritte ins Hinterland, die Pithlit mit Thargor unternommen hatte, waren eine gute Schulung gewesen –, und der unsichtbare Boden war nicht härter als mancher andere Schlafplatz, aber trotz ihrer Erschöpfung konnte sie keine Ruhe finden. Die Träume von Dunkelheit und Einsamkeit kehrten wieder, nicht ganz so plastisch wie zuvor, aber deutlich genug, daß sie mehrmals wach wurde. Beim letztenmal kniete !Xabbu neben ihr in dem morgengrauen Licht ohne Morgen und blickte sie besorgt an.
    »Du hast aufgeschrien«, sagte er. »Du meintest, die Vögel würden nicht zu dir kommen …?«
    Sam konnte sich an keine Vögel erinnern – die Einzelheiten des Traumes verblaßten bereits –, aber sie erinnerte sich, wie einsam sie gewesen war und wie sehr sie sich nach Gesellschaft gesehnt hatte, nach mitmenschlicher Wärme in dem langen, kalten Dunkel. Als sie es ihm erzählte, sah er sie befremdet an.
    »Genauso etwas habe ich auch geträumt«, sagte er. Er schaute sich zu Felix Jongleur um, der gerade unter kleinen Zuckungen und leisem Wimmern aus den Tiefen des Schlafs aufstieg. !Xabbu ging zu ihm und rüttelte ihn wach.
    »Was willst du?« fauchte Jongleur, aber Sam meinte, in seinen Worten einen schwachen und ängstlichen Ton zu hören.
    »Meine Freundin und ich haben den gleichen Traum gehabt«, teilte !Xabbu ihm mit. »Sage uns, was du geträumt hast.«
    Jongleur fuhr zurück, als hätte er sich verbrannt. »Ich werde dir gar nichts sagen. Faß mich nicht an!«
    !Xabbu blickte ihn durchdringend an. »Das könnte wichtig für uns sein. Wir sind hier alle zusammen gefangen.«
    »Was in meinem Kopf vorgeht, ist allein meine Sache«, versetzte Jongleur scharf. »Es geht dich nichts an – und auch sonst niemanden!« Er stellte sich mit geballten Fäusten und bleichem Gesicht drohend vor ihn hin. Sam kam mit einemmal der Gedanke, wie seltsam es war, daß sie alle so lebensechte Gestalten hatten, daß alles so sehr der realen Welt glich und gleichzeitig doch vollkommen irreal war.
    »Dann behalte es«, sagte !Xabbu wegwerfend. »Behalte deine Geheimnisse.«
    »Ein Mann ohne Geheimnisse ist gar kein Mann«, gab Jongleur giftig zurück.
    »Tschi-sin«, sagte Sam. »Voll scännuliert, der Typ. Laß ihn, !Xabbu . Gehen wir weiter.« Aber im stillen wunderte sie sich über den Wandel von Jongleurs normalerweiser eiskalter Miene. Einen Moment lang hatte er ausgesehen wie von Dämonen gehetzt.
    Die Vorstellung, den gleichen Traum gehabt zu haben wie er, ließ ihr auch im Gehen keine Ruhe. »Wie kann das sein?« fragte sie ihn. »Ich meine, daß wir dieselben Dinge sehen, ist eine Sache, denn die Bilder werden uns alle vom System in den Kopf gepumpt. Aber man kann doch nicht Gedanken und Träume und so ’nen Fen-fen in einen reinpumpen.« Sie runzelte die Stirn. »Oder?«
    !Xabbu zuckte mit den Achseln. »Seit wir uns in diesem Netzwerk befinden, gibt es nichts als Fragen.« Er wandte sich an Jongleur. »Wenn du nicht über Träume sprechen willst, sag uns wenigstens, wie es kommt, daß wir gegen unseren Willen in diesem Netzwerk festgehalten werden? Du bezeichnest dich als Herrn des Systems, als Gott sogar, aber jetzt sitzt du genauso hier fest. Wie ist so etwas möglich? Mit deinen ganzen teuren Apparaturen bist du ja vielleicht auf einen durch die Leitungen fließenden Denkstrom reduziert – aber

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