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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ich? Ich habe nicht einmal eine Neurokanüle oder wie das heißt. Das System hat keinen direkten Kontakt zu meinem Gehirn.«
    »Es besteht immer ein direkter Kontakt zwischen der Außenwelt und dem Gehirn«, erwiderte Jongleur barsch. »Ständig. Gerade du mit deinem Gerede von alten Stammesbräuchen und naturnahem Leben solltest wissen, daß das seit Anbeginn der Zeit so ist. Wir könnten nicht sehen, wenn nicht das Licht Meldungen an das Gehirn übertrüge, und nicht hören, wenn nicht Schallwellen ihm Muster eingeben würden.« Er grinste süffisant. »So geht das die ganze Zeit, das ganze Leben lang. Was du meinst, ist, daß kein direkter elektronischer Kontakt zwischen deinem Gehirn und diesem Netzwerk besteht, daß es keinen unmittelbaren Anschluß gibt. Und das ist in dieser Situation bedeutungslos.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte !Xabbu geduldig. Sam hatte gedacht, er habe den älteren Mann aus Verärgerung reizen wollen, doch jetzt hatte sie den Eindruck, daß er auf etwas anderes hinauswollte. »Willst du damit sagen, daß es noch andere Wege gibt, wie man meinem Gehirn Gedanken einpflanzen kann?«
    Jongleur schnaubte. »Wenn du denkst, du könntest mir mit diesem kindischen Katechismus die Geheimnisse meines teuren Betriebssystems abluchsen, dann irrst du dich. Aber jedes Schulkind, selbst eines aus dem hintersten Afrika, sollte eigentlich erraten können, wodurch wir online gehalten werden. Bist du in der Zwischenzeit einmal offline gewesen?«
    »Ich«, warf Sam ein. Die Erinnerung daran war furchtbar.
    »Und was geschah?« Er durchbohrte sie mit einem grimmigen Blick, so daß er aussah wie ein Großvater aus der Hölle. »Los, sag schon! Was geschah?«
    »Es … hat weh getan. Echt megaätzmäßig.«
    Jongleur verdrehte die Augen. »Ich habe schon zehn Generationen Teenagerslang über mich ergehen lassen müssen. Das allein würde einem schwächeren Mann ein für allemal den Wunsch austreiben, so lange zu leben wie ich. Ja, es hat weh getan. Aber du warst nicht in der Lage, allein offline zu gehen, stimmt’s?«
    »Stimmt«, gab Sam widerwillig zu. »Ich wurde ausgestöpselt. Im RL.«
    »Ja, im ›realen Leben‹. Wie passend.« Jongleur bleckte die Zähne zu einem kalten Grinsen. »Weil du keine Möglichkeit finden konntest, es selber zu tun, genau wie ich jetzt keine finden kann. Und meinst du, das liegt daran, daß wir ins Paradies versetzt wurden, wie es uns nach der Ansicht dieser frömmelnden Schwachköpfe vom Kreis eines Tages widerfahren wird, in unverwesliche Körper, die von solchen Dingen wie Neurokanülen unbefleckt sind? Meinst du das etwa?«
    »Nein.« Sam blickte ihn finster an. »Kannste nullen.«
    »So, und warum wohl kannst du etwas nicht finden, von dem du genau weißt, daß es da ist? Denk nach, Kind!« Er wandte sich !Xabbu zu. »Was ist mit dir? Kannst du es nicht erraten?«
    Der Buschmann erwiderte Jongleurs Blick mit unbewegter Miene. »Wenn wir es erraten könnten, hätten wir es schon getan und uns deinen Vortrag erspart, der nichts erklärt.«
    Jongleur warf mit gespielter Verzweiflung die Hände in die Höhe. »Dann will ich euch nicht weiter langweilen. Löst eure Rätsel alleine.« Er verlangsamte seinen Schritt, bis er wieder ein Stück hinter ihnen war.
    »Ich hasse ihn«, flüsterte Sam zornig.
    »Vergeude nicht deine Kraft, und laß vor allem nicht zu, daß du dich vor lauter Wut in ihm täuschst. Er ist schlau – ich war dumm zu meinen, ich könnte ihn so leicht aus der Reserve locken. Er verfolgt ganz bestimmte Pläne, da bin ich sicher, und wird nicht ohne weiteres etwas preisgeben, das jemand anderem nützen könnte.«
    Sam befingerte den abgebrochenen Schwertstumpf, der im Bund ihres Unterteils steckte. »Wie dem auch sei, ich hoffe, er gibt mir irgendwann eine Rechtfertigung, damit auf ihn loszugehen.«
    !Xabbu drückte fest ihren Arm. »Kein Leichtsinn, Sam. Das sage ich dir als Freund. Renie würde dir dasselbe sagen, wenn sie hier wäre. Er ist ein gefährlicher Mensch.«
    »Ich bin auch gefährlich«, murrte Sam, aber so leise, daß nicht einmal !Xabbu es hörte.
     
    Sie hatten noch dreimal pausiert, um zu schlafen, als !Xabbu schließlich seine Entdeckung machte.
    Sam und !Xabbu hatten jedesmal ähnliche Träume gehabt, wenn auch niemals genau dieselben. Jongleur gab im Schlaf weiterhin klagende Töne von sich, aber äußerte sich nicht dazu, wenn er wach war.
    Aus dem müden Dahinstapfen durch das endlose Wolkengrau war selber ein deprimierender

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