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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Richtung, aus der das Geräusch zu kommen schien. Sie schloß die Augen, wirbelte mehrmals im Kreis herum, bis sie die Orientierung verloren hatte, und begann dann wieder mit der langsamen Rotation, das Feuerzeug als Kompaßnadel vor sich. Als sie das sichere Gefühl hatte, das leise Murmeln wieder zu hören, schlug sie die Augen auf.
    Das helle Kleidungsstück lag direkt vor ihr.
    »Sehr gut!« Sie war zufrieden mit sich, aber noch zufriedener bei dem Gedanken, daß sie wieder etwas hatte, worauf sie ihre Kräfte konzentrieren konnte. Sie band ihr Oberteil um und wollte schon losgehen, als ihr Blick noch einmal auf Klement fiel. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Er saß so still, daß man meinen konnte, er werde sich nie wieder bewegen.
    Ich sollte den dreckigen Mörder einfach hier hocken lassen, dachte sie bei sich. Wahrscheinlich werde ich mich später verfluchen, wenn ich’s nicht tue. Doch die Vorstellung, den geradezu kindlichen Idioten in diesem tödlichen Nichts allein zu lassen, kam ihr plötzlich nicht richtig vor, obwohl sie nicht sagen konnte, warum.
    Renie schrie: »Ich geh jetzt in die Richtung. Ich komm nicht wieder. Wenn du mir folgen willst, dann mach’s lieber gleich.«
    Überzeugt, etwas unsäglich Dummes getan zu haben, aber dennoch mit einem leichteren Herzen machte sie sich auf, der Ursache des Flüsterns nachzugehen.
     
     
    > Durch das endlose Silbergrau zu stapfen, fand Sam, war irgendwie noch schlimmer, als bloß darin zu sitzen. Das Gelatsche war schlimm genug – Sport, bei dem es um etwas ging, mochte sie gern, aber aus Laufen und Wandern, wo man die Beine nur um der Bewegung willen bewegte, hatte sie sich noch nie etwas gemacht. Doch daß es keine Landschaftsformen und kein Wetter gab und daß das ortlose Licht sich nie veränderte, ließ das Ganze wie eine Folter mit dem erklärten Ziel erscheinen, Sam Fredericks zum Wahnsinn zu treiben. Zum erstenmal seit dem Eintritt ins Netzwerk ging ihr das Essen wirklich ab, nicht zur Stillung eines etwaigen Hungers, sondern zur Einteilung der verfließenden Zeit.
    Kein Wasser, kein Essen, keine Rast. Nach schätzungsweise zwei Stunden wurde das zu einem unablässigen Singsang in ihrem Kopf, einer Art Werbeslogan für ein ausgesucht sadistisches Urlaubsangebot. Es war zudem leicht übertrieben, denn sie legten durchaus Ruhepausen ein, vor allem damit !Xabbu auf das rätselhafte vage Signal lauschen konnte, an dem er sich orientierte, aber die Pausen waren auch nicht viel besser als das Gehen. Jedesmal blieb sie eine Zeitlang mit einem stummen Jongleur allein, was ein wenig so war, als hätte man einen unfreundlichen Hund im Zimmer: Auch wenn keine direkte Bedrohung erfolgte, lag die Möglichkeit immer in der Luft. Derart auf sich selbst zurückgeworfen fiel es Sam schwer, an etwas anderes zu denken als an Orlando und ihre Eltern, alle unerreichbar fern, und nicht den Glauben daran zu verlieren, daß ihre Mutter und ihr Vater im Unterschied zu Orlando noch am Leben waren und sie die beiden eines Tages wiedersehen würde.
    Felix Jongleur marschierte mit der zähen Entschlossenheit eines fanatischen Pilgers. Sam war jung und kräftig, und sie vermutete, daß er Mühe hatte, mit ihr Schritt zu halten, doch er ließ sich nicht das geringste anmerken. Im Gegenteil, wenn sie anhielten, damit !Xabbu , metaphorisch gesprochen, den Wind schnuppern konnte, gebärdete er sich betont ungeduldig. Bei einem weniger abstoßenden Mann wäre das Durchhaltevermögen vielleicht bewundernswert gewesen, aber in Sams Augen vergrößerte es nur seine Distanz von den normalen Menschen. Sie schluckte ihre müden Klagen herunter, um vor ihm ja keine Schwäche zu zeigen.
    Wenn Felix Jongleur sich anstrengen mußte, um mit Sam mitzukommen, mußte !Xabbu sich offensichtlich zügeln, um sie nicht beide abzuhängen. Nachdem sie ihn längere Zeit im Paviansim erlebt hatte, gewöhnte sie sich jetzt erst langsam an die Veränderung. In mancher Hinsicht kam ihr !Xabbu in seinem wirklichkeitsgetreuen Körper phantastischer vor als in der Gestalt eines Affen. Ungeachtet seiner zierlichen Statur – er war kleiner und dünner als Sam, die selbst schlank und nur normal groß war – schien er nie zu ermüden und bewegte sich mit einer traumwandlerischen Sicherheit und Gewandtheit.
    »Wo kommen Buschleute eigentlich her?« fragte sie unvermittelt. Als !Xabbu nicht sofort antwortete, beschlich sie eine peinliche Befürchtung. »O Mann, ist das etwa eine voll unhöfliche

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