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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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letztens gehört – kannst du mich jetzt hören?«
    Der Eindruck, die bekannte Sprecherin wäre direkt neben ihm, war so stark, daß Paul sich im ersten Augenblick fragte, wie jemand in der Blase sein konnte, ohne gesehen zu werden. Als Martine dann das Feuerzeug herauszog, begriff er.
    »Renie? Bist du das?« Florimel bedeutete ihr mit einer heftigen Geste, zu schweigen, doch die Blinde schüttelte den Kopf. »Dread weiß, wo wir sind«, sagte Martine leise. »Und das wird auch so bleiben, solange wir in dieser Welt sind. Es spielt also keine Rolle.« Sie hob die Stimme. »Renie? Wir hören dich. Sprich!«
    Als die Stimme wieder ertönte, war sie schwerer zu verstehen. Sie war nicht verzerrt, aber deutlich leiser, mit sauberen Löchern im Redefluß. »Wir … Berg geblieben«, sagte Renie. »… Wir müssen … Ozean sein … !Xabbu und Sam verloren, und …«
    »Wir können dich nicht sehr gut verstehen. Wo genau bist du?«
    »… glaube, wir … Herzen des Systems.« Zum erstenmal hörte Paul die unterdrückte Angst unter der mühsam gewahrten Beherrschung. »Aber … Gefahr – in großer Gefahr …!«
    Danach kam nichts mehr, auch wenn Martine sie noch mehrmals aufforderte, weiterzusprechen. Schließlich steckte die blinde Frau das Feuerzeug weg. Schweigend saßen sie da, ein Pünktchen Schaum auf dem Fluß, der sie zum Ende von einer Welt unter vielen beförderte.

Kapitel
Land aus Glas und Luft
    NETFEED/WIRTSCHAFT:
    Großwerft nach Figueiras Tod vor dem Schiffbruch
    (Bild: Figueira zerbricht eine Flasche am Bug eines Tankers)
    Off-Stimme: Das plötzliche Ableben von Maximilião Figueira, Generaldirektor und Unternehmensleiter von Figueira Maritima SA, hat Portugals größtes Schiffbauunternehmen in eine schwere Krise gestürzt.
    (Bild: Heitor do Castelo, FM-Unternehmenssprecher)
    Do Castelo: »Wir sind alle tief erschüttert. Für sein Alter befand er sich bei ausgezeichneter Gesundheit, aber noch bestürzender ist, wie wenig Vorbereitungen er anscheinend für den Fall seines Todes getroffen hat. Da er mit der Übertragung von Vollmachten sehr zurückhaltend war, hatten wir gehofft, er hätte für diese Eventualität ein wenig gründlicher vorausgeplant. Wir werden natürlich alles tun, um unsere Führungsposition in der Schiffbauindustrie zu halten, aber ich muß ehrlich zugeben, daß wir Mühe haben, in ein paar sehr verwirrende Regelungen Klarheit zu bringen …«
     
     
    > Zuerst hatte es wie ein Gauklertrick gewirkt, daß !Xabbu sie vorsichtig am Rand eines Flusses entlangführte, den er allein sehen konnte, doch nach einer Weile erkannte auch Sam deutlich, was ihr Gefährte schon viel früher wahrgenommen hatte.
    Anfangs waren es Linien in dem endlosen Grau, dünn wie Bleistiftstriche, aber zarter: Wenn Sam auf einen zutrat oder nur den Blickwinkel änderte, verschwand der Strich. Erst als die Linien länger und zahlreicher wurden, sah sie, daß es Schattenränder von großen Landschaftsformen waren – sanfte Kurven wie ferne Hügel und eine Linie für das Flußufer, dem !Xabbu folgte. Obwohl es nichts gab, was einer Sonne ähnelte, und überhaupt Erde und Himmel nur sehr schwach differenziert waren, konnte man bei dem Licht zum erstenmal eine ungefähre Richtung ahnen.
    Mit dem Wandel des Lichts veränderten sich auch die Farbeindrücke. Das Grau wurde lebendiger und quecksilbriger. Ein schwacher Glanz, hier und da aufschimmernd wie die Haut eines Aals, durchspielte es. Obwohl die Umgebung immer noch fremdartig und weitgehend formlos war, wich ein wenig der Druck von Sams Herz. In dem eintönigen Nichts schien sich endlich Leben zu regen.
    »Es ist, als ob man in einem silbernen Ozean schwimmt«, sagte sie staunend. Lange war die Leere über ihren Köpfen von der Leere unter ihren Füßen nicht zu unterscheiden gewesen. Jetzt mit dem Auftauchen der ersten hellen Streifen, die vielleicht irgendwann einmal Wolken wurden, bekam das Ganze eine Ahnung von Weite. Es war paradox, erkannte Sam: Solange es nichts zu sehen gab, schien sich die Leere nicht sehr weit zu erstrecken. Jetzt war es, als würde jemand eine Decke wegziehen und ihnen einen Blick auf die Welt eröffnen. »Es ist wie unter Wasser. Hodsang! Mir ist richtig, als könnte ich wieder frei atmen.«
    !Xabbu schmunzelte über den schiefen Vergleich. »Ich glaube, der Fluß hat jetzt auch einen Ton.« Er hielt die Hand hoch. Sam blieb stehen und Jongleur nach kurzem Zögern auch. »Hörst du?«
    Tatsächlich vernahm sie ein ganz leises Rieseln.

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