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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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»Was hat das alles zu bedeuten?«
    »Ich denke, es bedeutet, daß wir in eine Gegend kommen, die freundlicher zu uns ist als dieses versammelte Nichts.« !Xabbu hielt seine Hand versuchsweise an eine Stelle, wo die sich verdichtenden Linien auf die Anwesenheit des Flusses hindeuteten, aber zog sie trocken zurück. Er zuckte mit den Achseln. »Aber wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns, scheint es, bevor es soweit ist.«
    »Nein, ich meine … was geschieht hier eigentlich? Es ist so scännig, erst dieses Nichts, dann auf einmal … etwas. Als wenn es hier wachsen würde.«
    Er wiegte den Kopf. »Das kann ich nicht sagen, Sam. Aber ich denke, daß es weniger ein Wachsen ist, als daß wir uns dem Ort nähern, wo es am konzentriertesten ist, falls das einen Sinn ergibt.« Er sah mit leiser Ironie Jongleur an. »Vielleicht kannst du uns das erklären?«
    Der Mann mit dem kantigen Gesicht schien zunächst etwas Abfälliges sagen zu wollen, dann aber antwortete er erstaunlich ruhig. »Ich weiß es auch nicht. Das alles ist ein Rätsel. Die Bruderschaft hat nichts dergleichen im Netzwerk gebaut, und sonst auch niemand.«
    »Dann sollten wir weitergehen«, meinte !Xabbu . »Wenn wir nicht klug genug sind, das Rätsel zu durchschauen, vielleicht müssen wir dann einfach nur stark genug sein, so lange zu marschieren, bis wir in seinem Herzen sind.«
    Jongleur beäugte ihn einen Moment, dann neigte er langsam den Kopf. Er wartete, bis !Xabbu wieder dem schattenhaften Flußufer folgte, dann kam er mit gleichmäßigen, stapfenden Schritten hinterher.
     
    Es war seltsam, dachte Sam, wie unauffällig eine ganze Welt sich herausbilden konnte. Es war wie Musik, die Sorte, die ihre Eltern sich anhörten, mit Geigen und anderen alten Instrumenten, erst fast unhörbar und dann unversehens zu einem Mordsgetöse anschwellend.
    Die silberige Phantomlandschaft war jetzt mit Farben durchschossen, allerdings glitzerten sie nur kurz auf und verschwanden gleich wieder, wobei manchmal andere, genauso unerwartete Töne an ihre Stelle traten. Die glasigen, schemenhaften Hügel, die sich undeutlich am fernen Horizont abzeichneten, glänzten tiefviolett und gewannen zunehmend an Masse, bis sie jede Einzelheit zu erkennen meinte, doch wenn sie wieder zwanzig Schritte gegangen war, schien das Violett sich nach innen zurückzuziehen, und nur die Kontur des Hügelkammes blieb zurück, farblos wie eine abgestreifte Schlangenhaut. Wenn gleich darauf die Umrisse vor dem genauso blassen und undefinierten Himmel schon beinahe verblichen waren, gab es plötzlich ein bräunlich gelbes, fast orangefarbenes facettiertes Schillern, und in diesem kurzen Augenblick waren die Hügel wieder da, und die Welt hatte ein annähernd normales Aussehen.
    Soweit Sam die Szenerie deuten konnte, bewegten sie sich an den sanften Hängen eines langen, kurvenreichen Tales flußaufwärts auf diese Hügel zu. Als der Fluß selbst Farbe annahm, sah sie, daß er eine tiefe Rinne in das Land geschnitten hatte und sich zwischen Felsen hindurchwand, die in diesem Zwischenstadium fast wie riesige, unregelmäßige Eisblöcke aussahen. Einige der größeren lagen in der Bahn des Flusses wie gläserne Bauklötze, und dort schäumte das darüber- und herumfließende Wasser auf, lief aber dahinter wieder ruhig weiter. Ein paar skizzenhafte Bäume standen in Gruppen an den Ufern und auf den höheren Erhebungen, doch im wesentlichen schien es sich um eine Wiesenlandschaft zu handeln. Nur ihr eigenes Atmen und hin und wieder ein gemurmelter Fluch von Jongleur, wenn er über eine Unebenheit des Formen annehmenden Bodens stolperte, waren neben dem Geräusch des Flusses zu vernehmen. Keine Bienen summten, keine Vögel sangen.
    »Es ist, als ob jemand sich das grade ausdenkt«, sagte sie, als sie wieder einmal eine Verschnaufpause einlegten. Sie saß auf einem der flachen Felsen, eine knappe Armlänge von dem plätschernden Fluß entfernt. !Xabbu brauchte jetzt nicht mehr zu schnuppern und zu lauschen; er saß gemütlich neben ihr und ließ die Beine baumeln. Sam hatte ins Wasser gefaßt und festgestellt, daß es sich noch nicht richtig wie Wasser anfühlte: zwar kühl, aber trocken, als ob eine endlose Bahn kühler Seide über ihre Haut gezogen würde. »Es ist wie ein Malbuch für Kinder«, fuhr sie fort, »und jemand fängt gerade an, ein paar Farben auszuprobieren.«
    »Ich befürchte, es ist eher das Gegenteil.« Sein Gesicht wurde ernst. »Ich vermute, daß diese Landschaft einst

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