Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Beweis seiner hoffnungslosen Antiquiertheit –, und fühlte sich abermals wie ein Schuljunge. Er hatte im stillen mit den älteren Jungen geschimpft, weil sie nicht fair gespielt hatten, aber jetzt, wo er mit ihnen allein war, wußte er, daß ihm eine fürchterliche Tracht Prügel bevorstand.
    Dummes Zeug, sagte er sich. Außerdem wissen sie gar nicht, daß ich hier bin. Ich kann mich einfach umdrehen und später wiederkommen …
    Die Augen des Kleinen gingen auf und funkelten ihn durch die Brille an. Sofort war seine Selbstsicherheit verflogen.
    »Jonas.« Finney starrte ihn an, als ob er nackt erschienen wäre. »Du bist in meinem Büro. Die Tür war geschlossen.«
    Sein Freund Mudd war immer noch abwesend und glotzte mit einem breiten, ekelhaft zufriedenen Grinsen ins Leere.
    »Ja, aber …« Paul merkte, daß er außer Atem war. Sein Herz pochte inzwischen weniger aus Zorn als aus Verlegenheit, beinahe Furcht. »Weil nämlich … Ich weiß, ich hätte vorher anrufen sollen …«
    Finneys Gesicht war derart mißbilligend verkniffen, daß Paul trotz allem wieder die Wut aufglimmen fühlte. Das hier war nicht die Schule. Kein Mensch würde hier Prügel bekommen. Und er hatte mit dieser kleinen Spitzmausvisage weiß Gott ein Hühnchen zu rupfen.
    Auf einmal kam Mudd zu sich, griff sich in den Nacken und richtete dann seine Schweinsäuglein auf Paul. »Jonas? Was zum Teufel machst du denn hier?«
    »Ich habe soeben mit einem Freund von mir gesprochen.« Paul hielt inne, um Atem zu holen, spürte aber, daß es besser war, er wagte die Offensive, solange er noch den Mut dazu hatte. »Und ich muß sagen, ich bin empört. Jawohl, sehr empört. Dazu hattest du kein Recht.«
    Finney neigte den Kopf, als ob Paul nicht nur nackt wäre, sondern auch noch Schaum vorm Mund hätte. Mit dem veränderten Einfallswinkel verwandelten die nahezu unsichtbaren Deckenlichter seine Brillengläser in zwei weiße Sichtblenden. »Was in aller Welt faselst du da?«
    »Mein Freund Niles Peneddyn. Er war es, der mir die Stelle hier empfohlen hat.« Paul holte abermals Luft. »Er sagt, du hättest ihn kontaktiert.«
    Eine von Finneys Augenbrauen, dünn wie ein Fliegenbein, ging in die Höhe. »Er hat dir die Stelle empfohlen? Das ist köstlich, Jonas. Er hat dich empfohlen, zu deinem Glück, denn anders als du entstammt Herr Peneddyn einer angesehenen Familie und hat hervorragende Verbindungen.«
    Derlei Schmähungen kannte er nur zu gut. Er ließ sich nicht davon irremachen. »Ja. Ja, genau den meine ich. Er hat gesagt, du hättest ihn kontaktiert.«
    »Und?«
    Mudd lehnte seine mächtige Hüfte an den Schreibtisch wie ein Elefant, der sich die Haut an einem Baumstamm kratzt. »Was paßt dir daran nicht, Jonas?«
    »Ich habe gerade mit ihm geredet. Er war sehr besorgt. Er sagte, du hättest ihm erzählt, es gäbe in der Beziehung zu meiner Schülerin ein Problem.«
    »Er hat dich uns empfohlen. Wir wollten sicherstellen, daß da kein Irrtum vorliegt – daß er nicht einfach jemandem, den er gar nicht richtig kennt, einen Gefallen tun wollte.«
    »Was für ein Problem?« Paul mußte sich zusammenreißen, um nicht zu schreien. »Wie kannst du es wagen? Wie kannst du es wagen, meinen Freund anzurufen und anzudeuten, mein Verhalten wäre in irgendeiner Weise … ungehörig?«
    Wenn die Situation nicht so bitterernst gewesen wäre, hätte Paul fast den Eindruck gehabt, Finney unterdrückte ein Schmunzeln. »Ach, und deswegen bist du empört?«
    »Ja, verdammt nochmal, deswegen bin ich empört!«
    Eine Weile verging. In der Stille machte die Erinnerung Pauls Stimme immer lauter, bis er den Verdacht hatte, daß er tatsächlich die rechte Hand seines steinreichen Arbeitgebers angebrüllt hatte.
    »Hör zu, Jonas«, sagte Finney schließlich, und jetzt lag mit Sicherheit kein Fünkchen Humor mehr in seiner Stimme. »Wir nehmen unsere Verpflichtungen außerordentlich genau – Herr Jongleur ist ein Mann, dessen Mißfallen man unter keinen, unter gar keinen Umständen erregen möchte. Und wir sind nun einmal zu der Auffassung gelangt, daß es in der Beziehung zu deiner Schülerin … Tendenzen gibt, die wir nicht gutheißen können.«
    »Von welchen Tendenzen redest du? Und worauf gründet sich diese … Auffassung?«
    Finney überhörte Pauls zweite Frage. »Es sieht so aus, als entwickelte sich eine zu große emotionale Anhänglichkeit. Zwischen dir und Fräulein Jongleur. Wir sehen das nicht gern, und sei versichert, daß ihr Vater das auf gar keinen

Weitere Kostenlose Bücher