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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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einem der Zweige herunter, musterte es eingehend und eilte dann wieder zurück.
    »Sieh nur!« rief er, während er an Jongleur vorbei auf Sam zusprang. »Sieh dir das an!«
    Sie beugte sich vor. In der offenen Hand hielt er ein kleines weißes Stück Tuch mit einem Knoten darin. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff. »Chizz! Ist das …?«
    !Xabbu hielt es an den Tuchstreifen, den sie um die Hüften trug. »Es ist das gleiche.« Er lachte auf eine für ihn ganz ungewohnte wilde und ungestüme Art. »Es ist von Renie! Sie war hier!« Er führte einen kleinen Freudentanz auf, den Stoffetzen fest an die Brust gedrückt. »Sie hat es als Zeichen hingehängt. Sie wußte, daß wir dem Fluß folgen würden.« Gut gelaunt, als alberte er mit einem Freund, wandte er sich an Jongleur. »Ich habe ja gesagt, daß sie klug ist. Ich habe es dir gesagt!« Er drehte sich wieder Sam zu. »Wir müssen jetzt gehen, solange wir können, denn sie ist vor uns und hat vielleicht irgendwo haltgemacht.«
    Sam war natürlich einverstanden, konnte aber einen Seufzer der Müdigkeit nicht ganz unterdrücken, als sie von ihrem Felsen aufstand. !Xabbu war bereits forschen Schritts flußaufwärts aufgebrochen. Sam schloß sich ihm an. Jongleur schüttelte den Kopf, aber folgte ebenfalls.
    Im ersten Moment war die Freude des kleinen Mannes ansteckend und Sams Stimmung besser gewesen als die ganze Zeit seit Orlandos Tod, jetzt aber fühlte sie sich von einem mahnenden Finger angebohrt, einem Zweifel, den zu äußern sie nicht übers Herz brachte, aber der sie mehr und mehr plagte.
    Bei den Girl Scouts sagen sie einem immer, wenn man sich verirrt hat, soll man an einem Ort bleiben, sinnierte sie. Sam war keine große Pfadfinderin gewesen, aber ein paar Sachen hatte sie sich gemerkt, vor allem solche, die ihr vernünftig und nützlich erschienen. Gibt’s da in Afrika, wo Renie her ist, keine Girl Scouts? Sie war sich nicht sicher, aber !Xabbu hatte recht – Renie war schlau. Irgendwie hatte Sam das Gefühl, daß Renie diese Regel mit dem An-einem-Ort-Bleiben kennen mußte. Demnach hatte es vielleicht einen Grund gegeben, weshalb sie nicht an der Stelle am Fluß geblieben war, die sie markiert hatte.
    Vielleicht mußte sie weg, weil irgendwas hinter ihr her war.
     
     
    > Während das Licht von tiefenlosem Grau zu quecksilberartigem Glanz aufhellte und sie verbissen aus dem Nichts in ein undefinierbares Etwas marschierte, ging es Renie durch den Kopf, daß sie eigentlich mehr empfinden sollte, voller Erregung, Jubel, Erleichterung sein sollte. Um dem nachzuhelfen war sie vorher alle paar hundert Meter stehengeblieben und hatte das Feuerzeug vor sich gehalten wie eine Wünschelrute. Sie hätte triumphieren sollen, daß sie diese entstehende Welt gefunden hatte, doch statt dessen wurden ihre Schritte immer langsamer, als ob eine schwere Last sie niederdrückte.
    Das hatte den Grund, daß ihr das Environment immer noch unbegreiflich war.
    Und mit sowas tue ich mich einfach schwer. Sie schaute sich nach Ricardo Klement um, der auf dem unebenen Gelände, wenn man es so nennen konnte, einen Fuß vor den anderen setzte wie eine Aufziehpuppe, die so lange immer weiterging, bis sie irgendwann über den Rand eines Abgrunds trat und abstürzte, ohne daß die Beine zu rucken aufhörten.
    Wie mein Vater. Auch er war ihr unbegreiflich mit seinem selbstzerstörerischen Abrutschen in Suff und Resignation. Ja, seine Frau war gestorben. Ja, es war furchtbar. Aber seine Frau war auch Renies Mutter gewesen, und doch hatte Renie es hinterher geschafft, Tag für Tag aufzustehen und das Notwendige zu tun. Das war vernünftig. Selbstaufgabe, langsamer Verfall nicht. Der Tod ereilte einen eines Tages sowieso, und was dann war, wußte keiner. Kämpfen war nie verkehrt.
    Aber allem Anschein nach waren manche Leute nicht dazu imstande.
    Meinem Vater würde es hier gefallen, dachte sie. Er müßte sich zu nichts aufraffen, nicht mal so tun. Könnte einfach liegenbleiben und darauf warten, daß die Welt um ihn herum sich verändert. Sie verabscheute den Gedanken, kaum daß sie ihn gefaßt hatte, verabscheute ihre eigene Bitterkeit.
    Als sie anhielt, um nach langem Gehen die erste kurze Pause einzulegen, kam Klement an und stellte sich neben sie. Er glich in seinen Bewegungen so sehr dem Automaten, der er in ihrer Vorstellung war, daß sie ihn zunächst gar nicht ansah, sowenig wie sie einen Herd angesehen hätte, der sich nach Ablauf der eingestellten Zeit abschaltete.
    »Sag

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