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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zu konzentrieren. Irgendwie hing das alles mit Renies Mutter zusammen, aber nicht mit der schrecklichen Hilflosigkeit, die er bei ihrem Tod empfunden hatte, so wie er sie jetzt empfand, wo er nicht wußte, wie er Renie beschützen sollte. Ihm fehlte einfach ein Mensch, der sich etwas aus ihm machte. Ihm fehlte die Gesellschaft von jemandem, der seine kleinen Späßchen verstand. Eigentlich mochte Renie sie gar nicht besonders, und manchmal tat sie so, als wären es gar keine Späßchen, als würde er sich einfach dumm oder schwierig anstellen, aber es hatte Zeiten gegeben, da hatte er sie damit genauso erheitern können wie einst ihre Mutter.
    Aber wenn er jetzt darüber nachdachte, schien das ziemlich lange her zu sein. Nicht viele Späßchen in den letzten paar Jahren, wenigstens keine, über die man lachen konnte.
    Sie konnte selber recht witzig sein, wenn sie wollte, aber auch von ihr, hatte Joseph den Eindruck, war seit geraumer Zeit nicht mehr viel in der Richtung gekommen. Irgendwie war sie so ernst geworden. Bitter geradezu. Weil ihre Mama tot war? Weil ihr Vater nicht arbeiten konnte, mit seinem kaputten Rücken? Das war doch kein Grund, den Humor zu verlieren. Gerade dann brauchte man ihn am allermeisten, da war sich Long Joseph todsicher. Wenn er nicht ab und zu mit Walter und Dog einen trinken gegangen und ein bißchen lustig gewesen wäre, hätte er sich schon vor langem umgebracht.
    Als sie klein war, ham wir immer geredet. Sie hat mir Fragen gestellt, und wenn ich die Antwort nich gewußt hab, hab ich mir irgend ’nen Quatsch ausgedacht, um sie zum Lachen zu bringen. Er hatte dieses Lachen schon lange nicht mehr gesehen, das überraschte Lachen, bei dem ihr ganzes Gesicht aufleuchtete. Sie war so ein ernstes kleines Mädchen gewesen, daß er und ihre Mutter sie manchmal damit aufgezogen hatten.
    Komm wieder, kleines Mädchen. Er starrte den stummen Tank an, dann wandte er sich aufs neue dem Monitor zu. Die Pause war vorbei: Drei Männer buddelten jetzt in dem Loch im Betonboden, und Staubwolken stiegen auf, daß sie aussahen wie Teufel im Rauch der Höllenfeuer. Joseph hatte ein ganz komisches Gefühl, als ob er weinen müßte. Er langte nach seiner letzten, zur Neige gehenden Flasche Wein und nahm einen Schluck. Komm doch bald wieder und lach mit mir…
    Das Klingeln des Fons erschreckte ihn so sehr, daß er beinahe die kostbare Plastikflasche mit offenem Verschluß fallen gelassen hätte.
    Einen Moment lang starrte er den Apparat an, als wäre das Ding eine schwarze Mamba. Jeremiah war oben, aber er mußte das Klingeln hören, schließlich waren alle umlaufenden Etagen bis zu der hohen Decke offen, so daß man sich in dem Laborkomplex wie in einem großen Bahnhofswartesaal fühlte.
    Vielleicht laß ich lieber die Finger davon, bis er runterkommt, dachte Joseph, doch die Vorstellung, sich vor einem antiquierten Telefon zu fürchten, war zuviel. Beim nächsten Klingeln stand er auf und riß es von seiner leicht ramponierten Metallgabel.
    »Wer is da?«
    Zuerst herrschte Schweigen am anderen Ende. Als sich jemand meldete, klang die Stimme gespenstisch verzerrt. »Ist das Joseph?«
    Ein Schauder fuhr ihm durch die Glieder, ehe er sich erinnerte. Aber er wollte sichergehen. »Erst sagst du mir, wer du bist.«
    »Hier spricht Sellars. Herr Dako hat dir bestimmt von mir erzählt.«
    Joseph wollte nicht, daß Jeremiah ins Spiel kam. Er, Joseph, hatte den Anruf angenommen, er war jetzt in dieser Notsituation zuständig. »Was willst du?«
    »Helfen, hoffe ich. Ich gehe davon aus, daß es ihnen noch nicht gelungen ist, durchzubrechen.«
    »Sie probieren’s. Sie probieren’s echt heftig.«
    In der anschließenden Stille beschlich Joseph die Befürchtung, daß er irgend etwas falsch gemacht und ihren Schutzpatron verprellt hatte. »Ich habe nicht viel Zeit«, sagte Sellars schließlich. »Und viele Ideen auch nicht, muß ich gestehen. Die gepanzerten Fahrstuhltüren habt ihr zubekommen?«
    »Ja. Aber die Kerle da hacken sich durch den Boden. Harn mit ’ner Granate angefangen, glaub ich, und sind jetzt mit Pickeln und Schaufeln zugange. Wollen direkt durch den Beton durch.«
    »Das ist gar nicht gut. Habt ihr die Monitore zum Laufen gebracht?«
    »Ich hab die Kerle im Moment im Auge. Sie buddeln wie Hunde nach ’nem Knochen.« Jeremiah war angekommen, einen besorgten Blick im Gesicht. Joseph winkte ab: alles unter Kontrolle.
    Sellars seufzte. »Meinst du, du könntest mich an euer Überwachungssystem

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