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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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trat sie an die Tür und blickte durch den Fischaugenspion. Eine schwarze Frau und ein weißer Mann standen draußen, beide dunkel gekleidet.
    Sie lehnte sich atemlos an die Tür. Ihr Herz raste ohne ersichtlichen Grund. Das mußten Missionare sein, die ganze Region wimmelte von diesen Leuten, die nichts Besseres zu tun hatten, als in der größten Bullenhitze dick angezogen herumzuspazieren und anderen weismachen zu wollen, daß sie an einen noch heißeren Ort kämen, wenn sie sich nicht zum Glauben der Werber bekehrten.
    Wieder ertönte das Klopfen, und diesmal so nachdrücklich, daß sie alle Überlegungen, es zu ignorieren, vergaß. Sie warf ihren Motelbademantel über die Dinge auf dem Bett, wobei es sie trotz ihrer Angst störte, daß diese Leute jetzt denken würden, sie sei so eine Person, die gewöhnlich ihre Sachen über das ganze Zimmer verteilte.
    Es war die schwarze Frau, die das Wort ergriff, als die Tür aufging. Sie lächelte Olga an, wenn auch ein wenig künstlich, und zog eine lange, flache Brieftasche aus ihrer Jacke. »Du bist Frau Pirofsky, ist das richtig, Ma’am?«
    »Woher kennst du mich?«
    »An der Rezeption hat man uns deinen Namen gegeben. Kein Grund zur Besorgnis, Ma’am, wir wollten uns nur kurz mit dir unterhalten.« Die Frau klappte die Brieftasche auf, und etwas, das aussah wie das Hologramm einer Polizeimarke, erschien. »Ich bin Wachfrau Upshaw, und das ist mein Kollege Wachmann Casaro. Wir hätten dir gern ein paar Fragen gestellt.«
    »Seid ihr … von der Polizei?«
    »Nein, Ma’am, wir sind vom Sicherheitsdienst der J Corporation .«
    »Aber ich …« In ihrer Angst und Überraschung hatte sie sagen wollen, daß sie gar nicht mehr für die J Corporation arbeitete. Sie konnte die Bemerkung gerade noch hinunterschlucken, allerdings um den Preis, daß sie wie ein begriffsstutziges altes Weib aussah. Na ja, dachte sie, vielleicht ist das nicht der schlechteste Eindruck, den ich machen kann.
    Wachmann Casaro hatte den Augenkontakt mit ihr nur kurz gehalten und bemühte sich im Gegensatz zu seiner Kollegin nicht um ein verbindliches Lächeln. Die stecknadelkopfgroßen schwarzen Löcher in seinen hellgrauen Pupillen spähten an ihr vorbei ins Zimmer, als wäre er ein Automat, der alles, was er sah, zur späteren eingehenden Untersuchung aufzeichnete. Olga fiel plötzlich ein, was ihre Großmutter öfter von der früheren polnischen Geheimpolizei erzählt hatte. »Sie haben dich nicht angeguckt, sondern durch dich durchgeguckt haben sie, selbst wenn sie mit dir geredet haben. Wie mit Röntgenaugen.«
    »Was … was könnt ihr denn für Fragen an jemand wie mich haben?«
    Wachfrau Upshaw schaltete wieder das Lächeln ein. »Wir machen nur unsere Arbeit, Ma’am. Uns ist zu Ohren gekommen, daß du dich an verschiedenen Orten nach dem J Corporation Campus erkundigt hast.«
    »Campus?« Sie wurde das Gefühl nicht los, daß die beiden sie von der Sekunde an, wo sie bei Obolos Entertainment zur Tür hinaus war, verfolgt hatten, daß sie ihr jetzt nur eine hinterhältige Komödie vorspielten und sie jeden Moment auf den Boden werfen und ihr Handschellen anlegen würden.
    »Die Gebäude, die Einrichtungen – so sagen wir dazu, Ma’am. Einige der Händler im Ort, na ja, sie informieren uns, wenn Leute Fragen stellen.« Sie zuckte mit den Achseln, und jetzt erst sah Olga, wie jung die Frau eigentlich war – Anfang zwanzig vielleicht. Dem bemüht korrekten Ton, in dem sie redete, hörte man an, daß sie ein wenig unsicher war. »Würdest du uns jetzt bitte erzählen, was dich hierherführt und wieso du dich für die J Corporation interessierst?«
    Wachmann Casaro war endlich mit seiner ausgiebigen Inspektion all dessen fertig, was hinter Olga zu sehen war. Seine Augen begegneten ihren und blieben daran haften. Sie fühlte, wie ihr die Knie weich wurden. »Gewiß doch«, brachte sie heraus und schluckte. »Aber kommt doch bitte herein, sonst geht die ganze klimatisierte Luft raus.«
    Die beiden wechselten einen fast unmerklichen Blick. »Gerne, Ma’am. Danke.«
     
    Nachdem Olga unter dem Vorwand, den Bademantel ordentlich wegzuräumen, die Dinge vom Bett genommen und das Bündel in dem winzigen Bad auf der Ablage deponiert hatte, konnte sie sich ein wenig entspannen. Keiner der Gegenstände, die dort gelegen hatten, war illegal oder auch nur besonders verdächtig bei einer Person, die in der Netzunterhaltung tätig gewesen war, aber irgendwie wollte sie nicht, daß ihr Besitz einer

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