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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ohnehin nicht viel Ahnung.«
    Sam starrte auf das Bullauge. »Wart mal, das scännt doch. Guck mal da drüben hin! Guck!« Sie deutete auf die andere Seite des Flusses, auf die niedrigen Hügel und Uferwiesen, die noch von dem richtungslosen Licht erhellt wurden. »Wie !Xabbu schon sagte, wir hätten Renie gesehen, wenn sie da drüben wäre. Und außerdem, wenn das da eine andere Welt ist, dann hat dein Betriebssystem nicht viel Phantasie, denn sie sieht genauso aus wie die hier.«
    Jongleur gluckste selbstzufrieden, so daß Sam ihm am liebsten eine geknallt hätte. »Wenn du etwas siehst, heißt das noch lange nicht, daß es existiert, Kind.«
    »Was?«
    »Es gibt im Otherlandnetzwerk viele Welten, in denen nur eine Seite des Flusses gebaut wurde. Wer versucht, auf die andere Seite zu kommen, stellt fest, daß das ausgeschlossen ist, obwohl er sie deutlich vor sich sieht. Dennoch bleibt die Illusion von zwei Seiten bestehen. Wenn es uns gelänge, diesen Fluß zu überqueren, wer weiß, wohin wir dann kämen? Oder was wir sehen würden, wenn wir hier an dieses Ufer zurückblickten …«
    Die Dämmerung hatte eingesetzt, und die andere Seite wurde schlechter zu erkennen. Sam war zu müde und zu deprimiert, um sich noch weiter für die Diskussion des nächsten Rätsels zu interessieren. Selbst wenn Jongleur recht hatte, selbst wenn sie zu einer Lösung kamen und Renie fanden, vielleicht sogar den Andern selbst, waren sie trotzdem immer noch nirgendwo. Sam erinnerte sich an den Andern, an seine kalte Gegenwart, daran, wie er aus dem Gefrierschrank in der Küchenwelt ein Loch in das totale Nichts gemacht hatte …
    Was Mama und Papa wohl grade machen? dachte sie plötzlich. Sie können nicht ständig im Krankenhaus sitzen und mich beobachten. In ihre Einsamkeit mischte sich ein leiser Anflug von Neid. Vielleicht sitzen sie zuhause heim Abendessen. Vielleicht gucken sie was im Netz. Oder Mama font mit Oma Katherine…
    !Xabbu blickte immer noch auf den Fluß. »Da ist jemand.« Er klang ganz ruhig, aber Sam wußte, daß der Schein trog. Sie hatte ihn in der Zeit ihres Beisammenseins ein wenig kennengelernt.
    »Wo denn?« Sie richtete sich auf und spähte zu dem halbdunklen anderen Ufer hinüber. »Ich sehe niemand.«
    »Im Schilf direkt am Fluß.« Er stand auf. »Es ist eine menschliche Gestalt.«
    Sam konnte nur die sanfte Bewegung der Halme erkennen, eine sich wiegende graue Wand. »Ist es … Kannst du sehen, wer es ist?« Sie versuchte, sich die Aufregung nicht anmerken zu lassen, denn es konnte ja genausogut der Zombie Klement sein wie Renie. Vielleicht war es sogar Hans Kuckeldiluff oder eines der anderen seltsamen Geschöpfe, die sie zwei Nächte zuvor getroffen hatten.
    Tatsächlich, da arbeitete sich eine Gestalt aus dem Schilf heraus, eine Gestalt mit sehr menschlichen Bewegungen.
    Ihr Hoffnungsschimmer erlosch bei !Xabbus nächsten Worten, die so tonlos waren, daß Sam den Schmerz dahinter nur vermuten konnte. »Es ist ein Mann.« Straff gespannt wie eine Bogensehne hatte er dagestanden, bereit, den Hang hinunterzustürzen. Jetzt sah sie ihn förmlich in sich zusammensinken, gleichgültig gegen die mögliche Gefahr angesichts der Tatsache des Verlusts.
    Der Fremde hielt beide Hände hoch. »Lauft nicht weg!« rief er. »Noch eine Nacht in der Kälte halte ich nicht aus!«
    Er hinkte, und seine schwarze Hose und sein weites weißes Hemd waren zerschlissen und hatten verwaschene rötliche Blutflecke. Wenn er sich verstellte, um sie in Sicherheit zu wiegen, dachte Sam, machte er das verdammt überzeugend. Er taumelte wie ein Läufer auf den letzten Metern eines aufreibenden Marathons und schien zudem triefend naß zu sein. !Xabbu beobachtete sein Näherkommen mit einem eigentümlichen Ausdruck im Gesicht, aber anscheinend unbesorgt.
    Der Fremde war ungefähr normal groß und hatte einen sehr kräftig gebauten Körper, älter als ihrer, aber jünger als der von Jongleur. Abgesehen von dem hängenden schwarzen Schnurrbart und den angeklatschten Haaren sah er ziemlich gut aus, fand Sam, wie ein braungebrannter Netzserienheld, und schien auf dem Gipfel seines Lebens und seiner Kraft zu stehen.
    »Ach, bitte, laßt mich an euer Feuer!« flehte er, als er die letzten Schritte auf sie zustolperte. Als keiner von ihnen etwas erwiderte, sank er zitternd neben den Flammen zu Boden. »Gott sei Dank. Es gibt hier nichts, was wirklich für ein Floß taugt. Ich habe trotzdem eins gebaut, aber es geht immer wieder unter. Die

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