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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ganze letzte Nacht habe ich naß und frierend verbracht. Ich habe euer Feuer gesehen, aber konnte nicht hin. Ich bin euch gefolgt. Ach Gott, was für eine trostlose Öde!«
    Sam wunderte sich, daß !Xabbu den Fremden nicht willkommen hieß. Sie sah ihn von der Seite an, wartete auf einen Fingerzeig, doch der kleine Mann wirkte weiterhin merkwürdig distanziert. »Wir können dir nicht viel geben«, sagte sie, »nicht mal eine Decke. Aber du kannst dich gern an unserm Feuer aufwärmen.«
    »Vielen Dank, junge Frau. Das ist sehr gütig.« Der Fremde versuchte ein Lächeln, doch seine Zähne klapperten so sehr, daß es sofort verwackelte. »Du tust mir einen großen Gefallen, das wird Azador dir nie vergessen.«
    »Wir sollten mehr Holz holen gehen«, sagte !Xabbu unvermittelt und tippte Sams Arm an. »Komm mit, dann bekommen wir eine Ladung zusammen, die für die ganze Nacht reicht.«
    Auf dem Weg hügelan zu einem kleinen Gehölz, wo er den ersten Armvoll toter Äste gesammelt hatte, ging !Xabbu ganz dicht neben ihr. »Schau dich nicht um!« flüsterte er ihr zu. »Erinnerst du dich an den Namen Azador?«
    »J-ja …jetzt wo du’s sagst, kommt er mir irgendwie bekannt vor.«
    »Er war eine Zeitlang mit Paul Jonas zusammen. Und davor mit Renie und mir. Das Feuerzeug – das Zugangsgerät – kam von ihm.«
    »O Gott! Ungeduppt?« Sie mußte sich bezähmen, nicht zurückzuschauen. »Aber was macht er hier?«
    »Wer weiß? Aber er ahnt nicht, daß wir ihn kennen, das ist wichtig. Er hat mich nämlich nur in der Gestalt eines Pavians gesehen.«
    »Er soll nicht wissen, wer du bist?«
    »Wir bekommen mehr aus ihm heraus, wenn er uns alle für Fremde hält. Wenigstens ist die Wahrscheinlichkeit höher, daß wir es merken, wenn er uns belügt.« !Xabbus Stirn legte sich in Falten. »Aber jetzt, wo ich darüber nachdenke, ist das ein sehr kompliziertes Problem. Wenn ich Paul Jonas recht verstanden habe, hat dieser Mann sich als ein Opfer der Gralsbruderschaft dargestellt. Wenn er herausfindet, wer Jongleur ist …« Er wiegte besorgt den Kopf. »Und Renie und ich haben vor ihm unsere richtigen Namen gebraucht, du darfst mich also nicht mit Namen nennen. Aber wenn du mich anders ansprichst, mit einem falschen Namen, wird Jongleur es merken.«
    »Mann, mir brummt jetzt schon der Schädel«, sagte sie, als sie bei den Bäumen ankamen. »Vielleicht sollten wir ihn einfach umbringen.« !Xabbu sah sie mit großen Augen an. »He, das war bloß ein Witz, irgendwie.«
    »Ich mag solche Witze nicht, Sam.« !Xabbu bückte sich und begann. Äste vom Boden aufzuklauben.
    »Okay«, sagte sie, während sie ihrerseits totes Holz aufsammelte, »es war kein sehr guter Witz, zugegeben. Bong. Aber wenn wir Renies Namen nicht vor ihm gebrauchen können, deinen auch nicht, und wenn wir nicht offen reden können, dann haben wir mit ihm einen ziemlichen Klotz am Bein. Was ist wichtiger: diesen Typ hinters Licht zu führen oder Renie zu finden?«
    !Xabbu nickte langsam. »Da hast du recht, Sam. Laß uns heute abend hören, was Azador zu erzählen hat – wir können ihn ja ganz unverfänglich fragen, was ihn an unser Lagerfeuer geführt hat. Dann sehen wir schon, wie wir uns am besten verhalten.«
     
    »Natürlich möchtet ihr meine Geschichte hören«, sagte Azador gutgelaunt. Das Feuer hatte ihn durchgewärmt, und bis auf einen geschwollenen Knöchel und den hängenden Schnauzer, mit dem er ein wenig wie ein nasser Hund aussah, wirkte er gänzlich wiederhergestellt. »Sie ist voll von Gefahren und Abenteuern, um nicht zu sagen, Heldentaten. Aber vor allen Dingen wollt ihr sicher wissen, wie es kommt, daß Azador an diesem gottverlassenen Ort auf euch gestoßen ist, stimmt’s?«
    Sam hätte am liebsten die Augen verdreht, aber beherrschte sich. »Stimmt.«
    »Dann werde ich euch ein Geheimnis verraten.« Mit der Verschwörermiene eines Kaspers im Kindertheater beugte der stattliche Fremde sich vor, zog die Brauen hoch und blickte kurz nach links und rechts. »Azador verfolgt euch schon lange.«
    Sie widerstand dem Impuls, zu !Xabbu hinüberzuschauen. »Echt?«
    »Seit … Troja.« Azador setzte sich wieder gerade hin und verschränkte die Arme über der bleichen Brust, als hätte er ein Zauberkunststück vollführt.
    »Wie… wie bitte?«
    Er schmunzelte freundlich. »Versuche nicht, mich zu täuschen, schöne Maid. Ich weiß über dieses Netzwerk besser Bescheid als irgend jemand sonst. Ihr seid die einzigen Menschen an diesem Ort. Ich habe euch

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