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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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du denkst, daß du beobachtet wirst, tu so, als wolltest du die Stelle unter dem Pflaster saubermachen. Ich denke, auf die Art kann ich die Codierung lesen.« Als sie es zu seiner Zufriedenheit getan hatte, sagte er abschließend: »Gut. Danke. Jetzt möchte Herr Ramsey dich nochmal sprechen.«
    Eine Sekunde später hatte sie wieder Ramseys Stimme im Ohr. »Olga? Ich wollte bloß noch sagen: Paß auf dich auf, ja?«
    Jetzt lachte sie doch noch, aber ehrlich vergnügt. »Alles klar, Sohnemann. Und du zieh dich warm an, und iß immer brav deinen Spinat.«
    »Wie bitte? Was soll…?« stammelte er, während sie grinsend die Verbindung abbrach.
     
    Am Ende ihrer zehnstündigen Schicht war sie körperlich so zerschlagen wie seit vielen Monaten nicht mehr und konnte sich nur noch taumelnd auf den Füßen halten. Aus Freitagnacht war Samstagmorgen geworden, obwohl das in den sonnenlosen Tiefen des Wolkenkratzers nur den Chronometern an der Wand zu entnehmen war. Sie konnte den gewaltigen Berg aus Plastahl und Fibramic über ihr förmlich fühlen, wie er sie vom Tageslicht abschnitt, als ob sie in einer unterirdischen Höhle oder einem Verlies gefangen wäre.
    Und die wirkliche Arbeit fängt jetzt erst an, dachte sie. Gott, ich möchte nichts weiter als schlafen.
    Sie klönte müde mit Esther und den anderen, während sie ihre Putzsachen wegräumten und dann den Rückweg zum Kai antraten. Ihr klopfte das Herz aus Angst vor dem nächsten Schritt, und gleichzeitig verspürte sie eine verrückte, unerwartete Euphorie. Sie blieb stehen.
    »O nein!«
    Esther drehte sich um. Sie hatte Ringe unter den Augen, und Olga kam erst jetzt darauf, sich zu fragen, in was für ein Zuhause die Frau heimkehren mochte. Zu einer liebenden Familie und einem freundlichen Mann? Oder wenigstens in eine Situation, wo sie es ein bißchen besser hatte als bei dieser abstumpfenden Plackerei in Pharaos Bergwerken? Sie wünschte es ihr. »Was ist, Olga? Siehst aus, als hättst du ein Gespenst gesehen.«
    »Mein Rucksack! Ich habe meinen Rucksack vergessen!«
    Esther schüttelte den Kopf. »Ich sag ja, du sollst nicht mitnehmen, ne? Na, ist okay, holst du Montag, wenn wir wiederkommen.«
    »Das geht nicht. Da ist meine Medizin drin. Ich muß meine Medizin nehmen.« Sie trat einen Schritt zurück und hob sofort die Hand, um die Frau davon abzuhalten, sie zu begleiten, falls sie trotz ihrer Müdigkeit das Angebot machen wollte. »Ich geh ihn holen. Bin gleich wieder da. Geh schon vor.«
    »Aber Schiff fährt in fünf Minute …«
    »Ich laufe. Falls ich dich auf dem Schiff nicht mehr sehe, noch ein schönes Wochenende!« Dann fügte sie noch ganz ehrlich hinzu: »Und danke für deine Hilfe«, drehte sich um und schob sich durch die andrängende Masse grau gekleideter Arbeiterinnen, bis Esther mit ihren besorgten Ermahnungen außer Sicht- und Hörweite war. Jetzt kann ich nur hoffen, daß sie auf dem vollen Schiff, oder wenn es angelegt hat, nicht nach mir sucht, wenigstens nicht sehr. Sie hatte schon ein wenig Vorarbeit geleistet, indem sie erzählt hatte, ihre Tochter würde sie abholen und gleich mit ihr zu einem Arzttermin fahren, sie könnte sich nicht einmal mehr umziehen. Und wenn Sellars die Information von der Marke wie versprochen benutzt hat, dann wird es so aussehen, als wäre ich an Bord gegangen und drüben wieder ausgestiegen. Damit habe ich Zeit bis … ja, bis Montag abend, wenn ich Glück habe.
    Zweieinhalb Tage, um in das Herz der Bestie zu kommen. So viel Zeit. So wenig.
    Der große Raum mit den Fächern war leer bis auf einen einzelnen Servicearbeiter, der mit Mop und Eimer bewaffnet den Boden wischte. Sie nickte ihm zu, nahm ihren Rucksack und ging zurück in Richtung der Anlegestelle, bog dann aber in einen der Treppenschächte ab und stieg wieder zur Ebene B hinunter, die mittlerweile relativ vertrautes Gelände war. Sie wußte, daß Sellars und Major Sorensen Manipulationen an den Sicherheitskameras vorgenommen hatten, aber wenn sie lebendigen Aufsichtskräften in die Arme lief, konnten die beiden ihr nicht helfen, und deshalb begab sie sich zügig zu ihrem Ziel, einer Abstellkammer in einem der Servicekorridore. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß sie die Tür von innen wieder aufbekam, zog sie sie hinter sich zu und ließ sich im Dunkeln zu Boden sinken. Ihr Herz klopfte wie wild, und sie zitterte am ganzen Leib.
    Als sie sich ein wenig erholt hatte, sagte sie wieder das Codewort und hatte sofort Ramseys Stimme im Ohr,

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