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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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eingeht, laßt die Hoffnung fahren.« Was tust du, Olga?
    Doch sie kannte die Antwort schon.
    Esther trat zu ihr, wie sie starr in einer Ecke stand und den Mut aufzubringen versuchte, den anderen schwadronierenden Arbeiterinnen in den klotzigen Vorbau zu folgen, in dem sich die Eingänge zu den Fluren und Aufzügen des Servicepersonals befanden. »Na, komm schon«, riß sie Olga aus ihren düsteren Gedanken und tätschelte ihr den Arm. »Countdown läuft, seit du mit Marke da hinten durch Tür bist. Mehr als zehn Minute bis zu unsere Station, und halbe Stunde Lohn weg.«
    Olga murmelte eine Entschuldigung und schloß sich Esther an. Sie mußte sich überwinden, den schwarzen Monsterbau zu betreten, auf dessen blanken Oberflächen sich das Abendlicht spiegelte.
    »O nein, warum hast du Rucksack?«
    Olga bemühte sich, überrascht zu schauen. »Was ist damit?«
    »Darfst du nicht hier mitbringen so was«, sagte Esther. »Die denken, glaub ich, wir könnten stehlen was, ne?« Sie zog eine übertrieben beleidigte Grimasse. »Aber sind total streng damit. Ach, Olga, hättst du mich fragen sollen, hätt ich dir gesagt, daß du auf andere Seite in Spind läßt.«
    »Das wußte ich nicht. Es ist bloß was zu essen drin und eine Medizin, die ich einnehmen muß.«
    »Gibt vorgeschriebene Box für Essen, die leuchten sie alle durch, ne, wenn Schiff ankommt.« Esther runzelte die Stirn. »Na, finden wir Platz, wo du lassen kannst. Daß du nicht gleich erste Tag kriegst Ärger.«
    Olga schüttelte den Kopf. Nein, sie wollte ganz gewiß keinen Ärger kriegen an ihrem ersten Tag, aber genausowenig hatte sie vor, sich von ihrem Rucksack zu trennen. Bei flüchtiger Inspektion sah der Inhalt ganz harmlos aus, aber eine gründlichere Überprüfung hätte zur Folge gehabt, daß sie sehr viel mehr Aufmerksamkeit bekam als sonst eine einfache Raumpflegerin.
     
    Nachdem ihr Rucksack sicher in einem der Fächer lag, in denen das Personal Regenkleidung und andere im normalen Dienst nicht benötigte Dinge verstauen konnte, begann Olgas erster Tag (und, wie sie inbrünstig hoffte, ihr letzter) als Putzfrau für die J Corporation . Ein Aufseher wies dem Team, bestehend aus Esther, Olga und sechs anderen Frauen, die Ebene B zu, das zweite unterirdische Geschoß. Die Vorstellung war leicht verstörend, daß sie in einer großen Röhre unter der Oberfläche des Sees arbeitete, aber jede Neigung, sich darüber oder über die viel unmittelbareren Gefahren ihres Vorhabens Gedanken zu machen, wurde rasch von der schieren Masse der Arbeit verdrängt. Mit ihren radkappengroßen Saugrobotern, über die sie vorsichtig hinwegtraten, zogen die Frauen von einem Büro zum nächsten, leerten Mülleimer, wischten Oberflächen und räumten die Gemeinschaftsbereiche auf. Die Toiletten mußten besonders gründlich gesäubert und bis in den letzten Winkel geschrubbt und gescheuert werden. Als Neue durfte Olga die unangenehmsten Arbeiten verrichten, wozu natürlich das Reinigen der Toilettenbecken und Urinale mit einer Bürste und einem enzymatischen Reinigungsspray gehörte, dessen blumige Obertöne den strengeren chemischen Geruch darunter nicht ganz überdecken konnten. Esther schärfte ihr ein, nichts davon zu verschütten, was sie erst für eine Ermahnung zu Sparsamkeit hielt. Doch als ihr etwas davon auf den Handrücken tropfte und ihre Haut wie Feuer brannte, verstand sie den Grund.
    Die Ebene B war ausgedehnter als die oberirdischen Turmstockwerke und faßte Hunderte von Büroräumen. Während die Nacht dahinkroch, begleitet von diversen Duftwolken, dem falschen Gesinge von zweien der anderen Frauen und den ständigen Schlotz- und Kaugeräuschen der grauen Saugroboter, ging Olga auf, wie sehr sie sich glücklich preisen konnte, daß ihre Phantasiegeschichte geschwindelt war und sie es in Wirklichkeit gar nicht nötig hatte, mit diesem Job ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
    Wie halten die andern das bloß aus? fragte sie sich. Dazu ständig von Aufsehern kontrolliert wie von strengen Lehrern, und manche lassen es nicht mal zu, daß man sich anders als flüsternd unterhält. Ich dachte immer, bei so einer Arbeit könnte man wenigstens mit den Kolleginnen schwatzen und scherzen, aber davon kann kaum die Rede sein, seit wir vom Schiff runter sind. Ist das Unternehmen tatsächlich so knickrig, daß diese Frauen nicht einmal ein paar Minuten ihrer bezahlten Arbeitszeit verbummeln dürfen?
    Die Antwort darauf erhielt sie, als sie sich kurz einmal an einen der

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