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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schicksal erlitt wie das Floß. Sie hob den Kopf aus dem Wasser und ging zum Brustschwimmen über, um besser erkennen zu können, was los war. Sie schaufelte das Flußwasser zur Seite, pflügte sich durch die Wellen, kam gut voran … aber das Land rückte nicht näher. Irritiert tauchte sie unter, bis sie mit einer Hand über die am Grund des Flusses wogenden dichten Gräser streifte, und versuchte es dann so. Sie trat aus, so fest sie konnte, schlängelte sich wie ein Fisch. Sie war stolz auf ihre Kraft: Sie dachte nicht daran aufzugeben, sie wollte es dieser Simulation beweisen.
    Als sie den Atem nicht mehr anhalten konnte, stieß sie noch zweimal mit den Füßen aus und ließ sich dann nach oben treiben. Das Ufer war immer noch genausoweit entfernt. Mißmutig Wasser tretend hatte sie sich gerade umgedreht, um nach dem Floß zu sehen, als ihr ein jäher Schmerz durchs Bein schoß.
    Etwas hat mich gepackt…! konnte sie gerade noch denken, bevor sie unter Wasser glitt. Mit einem bewegungsunfähigen Bein kämpfte sie sich mühsam wieder nach oben und erkannte dabei, daß kein fleischfressender Flußbewohner sie angegriffen hatte, sondern daß es schlicht ein Krampf in der Wade war. Der Unterschied allerdings war gering: Sie konnte sich nicht mehr richtig über Wasser halten, zumal sie nach ihrer vergeblichen Schwimmanstrengung erschöpft war.
    Sam schrie nach !Xabbu , doch sie bekam Wasser in Nase und Mund und brachte nur ein Gurgeln zustande. Sie konnte mit dem blockierten Bein einfach nicht austreten und auch sonst nicht mehr viel tun. Sie versuchte sich auf den Rücken zu drehen und sich zu entspannen – der Ausdruck »toter Mann spielen« ging ihr durch den Kopf und trug nicht eben zu ihrer Beruhigung bei –, doch der Schmerz in ihrem Bein war heftig, und Flußwasser spülte ihr übers Gesicht.
    Sie war soeben zum zweitenmal untergegangen, als sie einen harten Schlag an die Schulter bekam. Sie grapschte nach der Floßstange und klammerte sich daran fest, als ob sie der Hirtenstab ihres persönlichen Schutzengels wäre. Und in gewisser Hinsicht war sie das auch.
     
    »Ich hatte große Angst um dich, Sam.« !Xabbu hatte nicht von ihrer Seite weichen wollen und das Feuermachen Azador überlassen. Dicht an die kleine Flamme gekauert und immer noch zitternd, obwohl schon eine halbe Stunde vergangen war, entwickelte sie regelrecht dankbare Gefühle gegen den Mann mit dem Schnurrbart. »Ich konnte nur inständig hoffen, daß wir mit dem Floß so weit auf den Fluß hinauskommen, wie du geschwommen warst«, fuhr !Xabbu fort. »Oh, ich hatte solche Angst.«
    Sam war gerührt. Irgendwie schien ihr Erlebnis für ihn schlimmer gewesen zu sein als für sie. »Mir ist nichts passiert. Du hast mich gerettet.«
    !Xabbu konnte nur den Kopf schütteln.
    »Das heißt, wir sind geschlagen«, erklärte Jongleur. »Wir kommen nicht über den Fluß, nicht mit dem Floß und nicht mit Schwimmen.«
    Sam spannte die Kiefermuskeln an, damit ihre Zähne zu klappern aufhörten. »Aber es muß eine Brücke geben. Diese kleinen Tiere oder was sie sonst waren, die Hoppelpoppel kannten und so, die haben etwas davon gesagt, daß sie eine Brücke suchen. Wir haben nur nicht erfahren können, was es damit auf sich hatte.« Sie warf Jongleur einen giftigen Blick zu, da es sein Wutausbruch gewesen war, der diese einheimischen Wesen vertrieben hatte. Sie meinte, den Schatten eines Schuldgefühls über sein Gesicht huschen zu sehen.
    Vielleicht hat er ja doch ein bißchen was Menschliches, dachte sie. Ein ganz klein bißchen was. Natürlich konnte es auch sein, daß er bloß bedauerte, seine eigenen Überlebenschancen verschlechtert zu haben.
    »Es gibt keine Brücken«, ließ sich Azador vernehmen. »Ich bin diesen verdammten Fluß dreimal rundherum gegangen. Ihr seid selber einmal herum gegangen. Habt ihr irgendwelche Brücken gesehen?«
    »So einfach ist das nicht«, beharrte Sam. »Wir können die andere Seite sehen, und dennoch kommen wir nicht hinüber. Wenn wir also Dinge sehen, sie aber nicht erreichen können, warum sollte es dann nicht auch Dinge geben, die wir nicht sehen, aber die wir erreichen können?« Sie mußte innehalten und sich das im stillen noch einmal vorsagen, um zu schauen, ob das einen Sinn hatte. Es hatte einen, fand sie. Ein bißchen.
    »Wir können heute nichts mehr unternehmen.« !Xabbus bekümmerte Miene war nicht verschwunden, aber sie hatte sich leicht verändert, wirkte distanzierter. »Wir denken morgen früh weiter

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