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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vollständigste Version, verfaßt von zwei Leuten namens Kuertner und Jigalong, stammte aus einer akademischen Zeitschrift für Volkskunde. Es war eine unheimliche kleine Geschichte mit offenem Ausgang. Obwohl sie ihr nichts Brauchbares über ihren Auftraggeber verriet, wurde sie in den Stunden danach, in denen sie dalag und auf den Schlaf wartete, innerlich ohnehin schon aufgewühlt von allem, was sie an dem Tag erfahren und getan und riskiert hatte, von der Vorstellung eines unbarmherzigen hölzernen Mannes mit Steinen als Augen heimgesucht.
     
     
    > Dread stellte die Musik lauter. Der Chor klagte die Zwölftonleiter auf und ab und zerbrach dann in einzelne scharfe Schreie, die sich anhörten wie ein Schauer leidender Regentropfen. Er befand sich in seiner privaten Simulation, schwebte in seinem luftigen weißen Haus, umgeben vom klaren Licht des australischen Outback.
    Er öffnete ein Fenster, um noch einmal einen Blick auf seine Mitarbeiterin zu werfen, aber sie schlief jetzt. Er hatte sie die letzten Stunden zwischendurch immer wieder einmal dabei beobachtet, wie sie sich an ihrem Pad mit irgend etwas abstrampelte, und sich Gedanken gemacht, was er wegen dem Dulcy-Problem unternehmen sollte. Da er mit der gleichen professionellen Neugier Menschen studierte, mit der ein Kammerjäger die Klasse Insecta zu verstehen suchte, war Dread der Wandel ihrer Gefühle ihm gegenüber nicht entgangen. Während er mit seinen verschiedenen Experimenten im Netzwerk beschäftigt gewesen war, hatte sich der Fisch vom Haken losgezappelt. Was bedeutete, daß ihr nicht mehr zu trauen war.
    Tja, vielleicht hat unsere gute Frau Anwin zu guter Letzt ausgedient.
    Er badete in der Musik, der Luft, dem glitzernd reinen Wüstenlicht und dachte nach. Er hatte sich weiß Gott ein bißchen Abwechslung verdient. Vielleicht sollte er ihr noch ein oder zwei Tage lassen, damit sie die Arbeit an den Jongleurdateien abschließen konnte, und dann ihre Akte schließen.
    Aber konnte er es sich leisten, Dulcy jetzt schon zu eliminieren? Er hatte noch viele Fragen. Sein Interesse am Gralsnetzwerk hatte zwar ein wenig nachgelassen, aber allein auf sich gestellt, ohne das phantastische Betriebssystem des Netzwerks, würde es ihm schwerfallen, seine Pläne in der Außenwelt zu verwirklichen, und genau in dem Punkt biß er derzeit auf Granit. Die Grundfunktionen des Netzwerks hatte er inzwischen fast vollkommen unter Kontrolle, aber der vernunftbegabt erscheinende Teil des Betriebssystems reagierte nicht mehr so stark auf die Schmerzstimuli, als ob das System entweder gelernt hätte, die schlimmsten Effekte abzublocken … oder vielleicht einfach am Ende war.
    Ein ruiniertes System jedoch nützte ihm nichts. Dread mußte wissen, wie weit er gehen konnte, und auch, ob irgendwelche Alternativen zur Verfügung standen für den Fall, daß er das Betriebssystem überstrapazierte und das ganze Ding kollabierte. Ob er der virtuellen Zerstörungsorgie nun überdrüssig war oder nicht, jedenfalls war das Gralsnetzwerk als Land, in dem keinerlei Auslieferungsverträge galten, immer noch unschlagbar. Auch wenn seine anderen Pläne scheiterten, konnte er sich jederzeit in die Gralswelten zurückziehen und dort die Ewigkeit verbringen, genau wie Jongleur und seine Kumpane es vorgehabt hatten. Allerdings konnte er das nur, wenn Jongleurs Unsterblichkeitsprogramm wirklich funktionierte. Er selbst hatte durch seinen Angriff auf das Betriebssystem die erste Bewährungsprobe des Programms sabotiert, aber es war bestimmt lehrreich, diesen Ricardo Klement von der Bruderschaft zu finden und zu untersuchen, denn der war anscheinend der einzige, der den Prozeß überlebt hatte.
    Das virtuelle Universum hatte also weiterhin seine Reize, deren nicht geringster das Wissen war, daß seine früheren Weggefährten, die blinde Martine und diese Sulaweyo und Konsorten, sich immer noch dort vor ihm versteckten – bis zu ihrer Gefangennahme und gebührenden Bestrafung.
    Aber die Macht, die ihm Jongleurs weltweites Unternehmensnetz verschaffte, und die nahezu grenzenlose Fähigkeit des Gralssystems, mit Informationen nach Belieben zu schalten und zu walten, eröffneten ihm ein noch viel größeres Betätigungsfeld. Was für ein Gefühl wäre es wohl, aus reinem Vergnügen einen Krieg anzuzetteln? Eine Großstadt mit der Drohung biologischer Waffen zur Evakuierung zu zwingen? Die großen Monumente der Welt zu bombardieren?
    Und was seine ganz speziellen Neigungen anbelangte, warum nicht

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