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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Datenleitungen von dort kommen aus diesem Schaltraum und gehen weiter zu den Telekomunternehmen. Und sämtliche Daten, auch aus Jongleurs Privatbereich ganz oben im Turm, werden durch diese Leitungen nach außen geschickt. Es ist ausgeschlossen, daß ich so etwas Wesentliches übersehen könnte wie den gigantischen Durchsatz, der beim Betreiben des Gralsnetzwerks zwangsläufig anfällt. Das wäre, als wollte man die Daten vor der gesamten NASA verstecken.«
    »Nassau?« Ramsey legte die Stirn in Falten. »Auf den Bahamas?«
    »Schon gut. Das war vor deiner Zeit.« Einen Moment lang war Sellars damit beschäftigt, durch einen chemisch riechenden Lappen zu inhalieren, den er ständig in seiner krallenartigen Hand hielt und der mittlerweile ebenso zu ihm zu gehören schien wie das Schnupftuch zu einem Höfling in Versailles. Ramsey hatte den Eindruck, daß die Atmung des alten Mannes sich in den letzten zwei Tagen nochmals verschlechtert hatte, und fragte sich, wie lange so ein gebrechlicher Körper derartige Strapazen aushalten konnte. »Aber ich muß mir etwas einfallen lassen«, fuhr Sellars fort. »Frau Pirofsky wartet auf einen Rückruf.«
    »Das verstehe ich nicht. Du hast doch das Otherlandsystem schon mehrfach gehäckt, nicht wahr? Wieso kannst du es jetzt nicht finden?«
    »Weil es mir noch nie gelungen ist, von Felix Jongleurs Ende aus einzudringen.« Sellars seufzte und senkte den Lappen. »Deshalb dachte ich, Olgas Kommandoaktion, oder wie ich es sonst nennen soll, könnte uns weiterhelfen. Ich bin noch nie direkt an das Betriebssystem herangekommen, ganz gleich, womit ich es versucht habe. In das Netzwerk eingestiegen bin ich immer über Telemorphix, das im allgemeinen für die Verwaltung des Systems zuständig ist. Bei Telemorphix gehe ich schon seit Jahren ein und aus. Eigentlich müßte ich bei denen auf der Gehaltsliste stehen.« Sein flüchtiges Lächeln verschwand gleich wieder.
    Ramsey zuckte mit den Achseln. »Und was machen wir jetzt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich muß …« Er sank in sich zusammen, dann führte er eine zitternde Hand ans Gesicht, als müßte er sich davon überzeugen, daß sein Kopf noch fest saß. »Die Zeit drängt. Und ich muß mich unbedingt noch um andere Dinge kümmern, die alle von größter Wichtigkeit sind.«
    »Kann ich irgendwie helfen?«
    »Möglicherweise. Schon daß du mir zuhörst … zwingt mich … es zwingt mich, ein bißchen Ordnung in das ganze Chaos zu bringen. Manchmal bilden wir uns ein, wir wüßten genau über etwas Bescheid, und erst wenn wir versuchen, es zu erklären …« Er richtete sich ein wenig auf. »Guck mal. Ich will dir eine der Sachen zeigen, die mir am meisten zu schaffen machen.«
    Der Wandbildschirm ging strahlend hell an. Ramsey zuckte zusammen. Gleich darauf verwandelte sich die Lichtfläche in das eigenartige grüne Gewucher, das Sellars seinen Garten nannte.
    »Das habe ich schon mal gesehen«, bemerkte Ramsey höflich.
    »Nein, dies hier nicht.« Sellars machte eine Handbewegung, und ein Teil des Bildes trat stark vergrößert in den Vordergrund. Ein Pilzgeflecht, grau und schwammig, aber dennoch wie neu glänzend, war um eine der komplizierter geformten Pflanzen herum an die Oberfläche gekommen. »Das ist erst heute geschehen, während ich mit Olga beschäftigt war. Als ich bei ihr aus der Leitung ging, wurde ich von einer ganzen Reihe von Alarmmeldungen begrüßt.«
    »Was ist das?«
    »Das ist das Betriebssystem«, antwortete Sellars. »Das Betriebssystem des Otherlandnetzwerks. Oder vielmehr, es sieht aus wie das Muster, das entsteht, wenn das Betriebssystem auf etwas innerhalb des Netzwerks seine ganz besondere Aufmerksamkeit richtet – wenn etwas kurzzeitig zum Epizentrum seiner Bemühungen wird.«
    »Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet«, sagte Ramsey, »aber ich lerne langsam, mich mit dem Zustand chronischer Unwissenheit abzufinden. Und ich muß gestehen, daß ich beeindruckt bin – ich habe noch nie erlebt, daß jemand außer dir gesprächsweise das Wort ›Epizentrum‹ gebraucht.«
    Das brachte den alten Mann abermals zum Lächeln. »Das Bedeutsame daran ist, daß ich damit zum erstenmal, seit das Ganze, na, sagen wir mal, durchgedreht ist, ein direktes Anzeichen des Betriebssystems gefunden habe. Natürlich ist das Betriebssystem überall im Netzwerk anwesend, aber der Teil, der allem Anschein nach intelligent ist und richtige Entscheidungen trifft, ist seit dem Kollaps nicht mehr in Erscheinung getreten. Jetzt hat

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