Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
Catur Ramsey wünschte, er hätte das auch von sich behaupten können. »Ich denke, ich sollte Kay erzählen gehen, was hier los ist.« Er runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, wie das gehen sollte, sie in ein Krankenhaus zu schaffen. Den Jungen, gut, aber vom Stützpunkt aus haben wir eine Meldung über Sellars an sämtliche Notaufnahmen in den östlichen Staaten geschickt, weil wir uns dachten, er würde Atemschwierigkeiten bekommen. Scheiße. Atmen ist so ziemlich das einzige, womit er im Augenblick keine Schwierigkeiten hat.«
»Guck mich nicht so an, Major. Sellars hat das allein veranstaltet. Ich hab nur dumm daneben gestanden.«
Sorensen betrachtete ihn beinahe mitfühlend. »Sicher. Ziemlich happig, was, Ramsey?«
»Kann man wohl sagen.«
Als Sorensen durch die Verbindungstür getreten war, schaute Ramsey sich nach seinem Pad um, weil er hoffte, bei den Nachforschungen, die er für die Fredericks’ gemacht hatte, ein paar Informationen über Erste Hilfe bei Tandagore zu finden. Als er es aufhob, vibrierte das kleine Gerät.
O Gott, dachte er. Das muß Olga sein. Sie wartet schon seit mindestens einer Stunde, sie muß vollkommen aus dem Häuschen sein. Aber was kann ich ihr sagen? Er klappte hastig das Gerät auf, um den Anruf entgegenzunehmen. Aber ich habe nur höchst nebulöse Vorstellungen davon, was Sellars vorhatte, und nicht die geringste Ahnung, wie er dabei vorgehen wollte.
»Olga?« sagte er.
»Nein.« Die Stimme war gespenstisch leise und von Aussetzern gestört. »Nein, Ramsey, ich bin’s.«
Er erkannte die Stimme und bekam eine Gänsehaut. Ungläubig starrte er die wie knochenlos im Sessel hängende Gestalt an. »Sellars? Wie …?«
»Ich bin nicht tot, Herr Ramsey. Nur … sehr beschäftigt.«
»Was ist passiert? Du … dein Körper ist hier. Ihr beide, du und der Junge, seid …«
»Ich weiß. Und ich habe sehr wenig Zeit zum Reden. Das System ist dabei zusammenzubrechen – es geht, glaube ich, mit ihm zu Ende. Ich weiß nicht, ob ich es dazu bringen kann, den Jungen aus seiner Gewalt zu entlassen, von mir gar nicht zu reden…« Einen Moment lang war die Übertragung abgeschnitten, und es herrschte Totenstille, dann kehrte Sellars’ hauchdünne Stimme zurück. »… von größter Wichtigkeit. Wir müssen den Datenpfad des Betriebssystems finden, damit wir ihn anzapfen können. Davon hängt alles ab. Du mußt Olga Pirofsky helfen …«
Das Signal setzte diesmal so lange aus, daß Ramsey sicher war, ihn verloren zu haben. Sellars’ lebendiger Körper verspottete ihn mit seinem Schweigen.
»… ja keine drastischen Maßnahmen mit uns beiden. Ich werde mich stündlich melden, wenn ich kann…« Sellars’ Stimme brach wieder ab. Diesmal kehrte sie nicht zurück.
Ramsey starrte auf das Pad, das jetzt so stumm war wie der alte Mann und der schlafende Junge.
»Nein!« schrie er, ohne zu merken, wie laut er war. »Nein, das kannst du nicht machen! Ich weiß nicht, was ich tun soll! Komm zurück, verdammt nochmal! Komm zurück!«
> An der Art, wie ihr Vater mit ihrer Mutter flüsterte, erkannte Christabel sofort, daß irgend etwas Schlimmes passiert war. Sie beobachtete so aufmerksam, wie sie die Köpfe zusammensteckten und miteinander tuschelten, daß sie ihr Eis völlig vergaß, bis es vom Stiel fiel und als großer, kalter Flatsch auf ihrem Fuß landete.
Sie schleuderte es in die Sträucher neben dem Hotelpool und spülte sich dann den Fuß mit Wasser aus dem Pool ab, weil er bei der prallen Sonne schon zwischen den Zehen klebte. Es dauerte nur ein paar Sekunden, doch als sie aufschaute, war ihr Papi fort, und Mami sah sie so komisch an. Christabel wurde davon ganz hicksig im Bauch. Sie lief zu ihrer Mutter.
»Christabel, du sollst am Pool nicht laufen«, mahnte ihre Mutter, aber ihre Augen huschten dabei zum Hotel, und Christabel merkte, daß sie kaum darauf achtete, was sie sagte.
»Was ist passiert?«
Ihre Mutter packte die Sachen zurück in die große Flechttasche, die sie aus dem Zimmer mitgebracht hatte. Einen Moment lang sagte sie gar nichts. »Ich weiß nicht genau«, antwortete sie schließlich. »Dein Papi sagt, Herr Sellars und Cho-Cho …« Sie legte die Hände auf die Augen, wie sie es machte, wenn sie schlimmes Kopfweh hatte. »Es geht ihnen nicht gut. Ich gehe mal schauen, ob ich mich irgendwie nützlich machen kann. Du kannst ja Netz gucken … Christabel?«
Sie mußte nicht warten, bis ihre Mutter ausgeredet hatte. Den ganzen Tag hatte sie schon
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