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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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    > »Tut mir leid«, sagte Sellars, »aber sie muß ganz weit nach hinten. Damit wird es für Suchende schwerer, den Auslöser zu lokalisieren, und dir könnte es eine zusätzliche halbe Stunde Fluchtzeit verschaffen.«
    Olga wischte sich den Schweiß aus den Augen, lehnte sich in das Rohr zurück und stützte sich mit den Schultern ab, damit sie die Hände frei gebrauchen konnte. Als sie eine halbe Stunde zuvor angefangen hatte, war es ihr im Kellergeschoß gar nicht so heiß vorgekommen, aber mittlerweile war ihr zumute, als arbeitete sie in einer Sauna. Sie richtete den Kameraring auf die Ecke, die sie mit der Taschenlampe anstrahlte, damit Sellars etwas sehen konnte. »Da hinten?«
    »Ja, das müßte es tun. Aber schau mal ob du sie noch hinter das Kabelbündel bringst, da fällt sie nicht gleich ins Auge.«
    Olga wischte sich die nassen, schlüpfrigen Hände an ihrem Overall ab und holte die Flasche aus dem Rucksack.
    »Du mußt sie erst zündfertig machen«, sagte Sellars beinahe entschuldigend. »Dreh am Verschluß, bis er klickt.«
    Sie gehorchte, obwohl ihr kurz die Befürchtung kam, das Ding könnte ihr trotz der Versicherungen von Sellars und Major Sorensen in den Händen explodieren, doch es gab nur das erwartete Geräusch. Erleichtert schob sie die Flasche in eine Lücke zwischen mehreren polymerummantelten Kabeln, von denen sie eines zur Seite gedrückt hatte. Sie richtete sich auf, rieb sich abermals die Hände trocken und sagte: »Sie ist drin. Willst du sie sehen?«
    »Schon gut, ich denke…«, begann Sellars, da packte sie jemand von hinten an der Taille.
    »Hab dich!«
    Olga kreischte, fiel rückwärts auf den Betonboden und stieß sich empfindlich den Ellbogen. Während sie sich ängstlich zusammenduckte, schoß es ihr durch den Kopf, daß sie keine Waffe außer der Taschenlampe hatte und daß sie eher an der Rauchbombe erstickte, wenn Sellars sie jetzt zündete, als daß sie ihr zur Flucht verhalf. Sie hörte seine erschrockene Stimme in ihrem Kopf.
    »Olga? Was ist los?«
    Mit einem Druck auf die T-Buchse stellte sie den Ton aus. Der Mann, der sie angefaßt hatte, blickte genauso geschockt wie sie. Er trug auch die gleiche Einheitskleidung wie sie, und er hatte ziemlich ergraute Haare, doch wie er da mit hochgehaltenen Armen und hängenden Händen vor ihr stand, sah er aus wie ein gescholtenes Kind.
    »Du bist gar nicht Lena!« Er wich einen Schritt zurück. »Wer bist du?«
    Olgas Herz schlug einen regelrechten Trommelwirbel. Ihr war, als stände sie hoch über der Manege vor dem Absprung an ein fernes Trapez. »Nein«, sagte sie und überlegte, ob sie seine offensichtliche Verwirrung ausnützen und sich an ihm vorbei zur Tür hinausdrängen sollte. »Nein, bin ich nicht.«
    Er beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. Seine Augen waren ein bißchen verschleiert, und sein Gesicht wirkte irgendwie verformt, so als ob jemand das Knochengerüst fallen gelassen und die zerbrochenen Teile hastig wieder zusammengesetzt hätte. »Du bist nicht Lena«, wiederholte er. »Ich dachte, du wärst Lena.«
    Sie holte zittrig Luft. »Ich … ich bin neu.«
    Er nickte ernst, als hätte sie eine ihn quälende Frage beantwortet, doch seine Miene war immer noch besorgt. »Ich dachte, du wärst sie. Es … es war nur zum Spaß. Ich hab dir nix tun wollen. Ich und Lena, wir dalbern immer so rum.« Er knabberte an einem Finger. »Wer bist du? Du bist mir doch nicht böse, oder?«
    »Nein, ich bin dir nicht böse.« Ihr Puls beruhigte sich ein wenig. Sie erinnerte sich daran, solche milchigen Augen einmal bei einem Mann gesehen zu haben, den man nach einem Unfall operiert hatte, um ihm die Sehfähigkeit zu erhalten. Wer der Mann auch sein mochte, er benahm sich nicht wie ein Wächter, der einen Eindringling gefaßt hatte. Jetzt nahm sie auch die Gegenstände hinter ihm bewußt wahr, die sie auf der Suche nach einem Fluchtweg mehrmals mit dem Blick gestreift hatte – einen Plastikeimer auf Rollen und einen langstieligen Mop. Er gehörte zum Reinigungspersonal.
    »Das ist gut. Ich hab bloß so dalbern wollen, weil ich dachte, du wärst Lena.« Er lächelte zaghaft. »Du bist neu, hm? Wie heißt du? Ich heiße Jerome.«
    Sie erwog kurz, ihn anzulügen, doch beschloß dann, daß es wenig Zweck hatte – entweder er meldete eine unbefugte Person im Keller oder nicht. Welchen Namen sie angegeben hatte, spielte keine Rolle mehr, sobald man ernsthaft nach ihr suchte.

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