Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
wenigen Minuten hatte sie den Apparat gefunden, den er haben wollte, und richtete den Ring darauf, damit er sich vergewissern konnte. Sie holte das graue Rechteck aus ihrem Rucksack. »Soll ich es in eines von diesen Löchern stecken?«
    »Nein, halte es einfach hochkant an die Enden dieser herausstehenden Teile. Darf ich mal sehen? Ausgezeichnet. Jetzt kipp es in Flachlage.« Es machte klick, und das graue Kästchen vibrierte kurz in Olgas Hand. »Du kannst jetzt loslassen.« Sie gehorchte. Das Kästchen blieb, wo es war. »Am besten, du setzt dich irgendwo hin – wo du von der Tür aus nicht zu sehen bist, um ganz sicherzugehen. Dies hier wird ein Weilchen dauern.«
    Olga entdeckte in einer Nische hinter einigen Geräten einen alten Drehstuhl und ließ sich dankbar darauf fallen. Es gab nichts zu tun, als auf die endlosen Reihen glatter, anonymer Apparate zu starren. Sie hatte vielleicht ein paar Minuten geschlummert. Als sie erwachte, fröstelte es sie, und Sellars war wieder in ihrem Ohr.
    »Irgendwas stimmt nicht.«
    Schlagartig war sie hellwach. »Kommt jemand?«
    »Nein. Aber … aber dies ist der falsche Raum. Die falsche Anlage. Soweit ich erkennen kann, hat keiner dieser Apparate irgendeine Verbindung zum Gralsnetzwerk. Es ist nichts weiter als die normale Telekominfrastruktur der J Corporation . Es muß noch einen andern Schaltraum geben, einen sehr großen.«
    »Und was machen wir jetzt?« Sie war müde und ein wenig verstimmt. Es war gut und schön, irgendwelchen geheimnisvollen Fremden sein Schicksal in die Hand zu geben, aber wenn diese Fremden einen für nichts und wieder nichts in der Gegend herumjagten, sah die Sache schon anders aus.
    »Ich weiß es wirklich nicht, Olga. Ich muß mich eine Weile mit dem Problem befassen. Ich werde mich in einer Stunde wieder bei dir melden. Nimm inzwischen die Klemme von dem Gerät, und vielleicht begibst du dich dann lieber in den Lagerraum, von dem wir gesprochen haben, und wartest dort. Ich habe deine Marke dafür eingestellt. Wenn du jetzt gleich gehst, kannst du in fünf Minuten da sein. Ich kümmere mich um die Kameras auf den Treppen.«
    »Wieder Treppensteigen.«
    »Leider.«
     
    Der besagte Lagerraum nahm fast eine ganze Etage ein, ein riesenhaftes Labyrinth, angefüllt mit Stapeln ungeöffneter Transportkisten und unbenutzter Möbel. Nachdem Sellars das Kontrollsignal auf Schleife geschaltet hatte, begab sich Olga in eine abgelegene Ecke und machte es sich hinter einer Gruppe von Stellschirmen im bequemsten Chefsessel gemütlich, den sie finden konnte.
    Sie nickte wieder ein. Sie wachte mit dem Gedanken auf, wie seltsam es war, daß sie hier im Herzen des schwarzen Turmes saß, an dem Ort, den sie in so vielen Träumen gesehen hatte, obwohl die Kinder, die sie hergelotst hatten, verschwunden waren wie Schatten an der Sonne. Die Stille in ihrem Kopf tat beinahe körperlich weh.
    Und eine Stille anderer Art kam noch hinzu. Sie sah auf ihre innere Zeitanzeige. Fast zwei Stunden vorbei. Sellars oder Catur Ramsey hätten sich inzwischen melden sollen. Sie stand auf, streckte und lockerte sich ein wenig und fand dann die Toilette der Lagerhalle. Anschließend rief sie Sellars an. Er ging nicht dran. Sie probierte Ramsey, doch auch bei ihm hatte sie kein Glück, und so hinterließ sie ihm eine Nachricht.
    Scheint eine ziemlich harte Nuß zu sein, sagte sie sich, setzte sich wieder hin und wartete weiter.
    Aus zwei Stunden wurden drei. Eine kalte Gewißheit legte sich langsam auf Olga wie ein Nebel. Sie würden nicht mehr anrufen. Irgend etwas war schiefgegangen, vollkommen.
    Aus vier Stunden wurden fünf, dann sechs. Die schwache Sicherheitsbeleuchtung hoch über ihr verbreitete ein trübes Dämmerlicht. Die Kistenstapel erstreckten sich vor ihr wie mehrere Dutzend Pappversionen von Stonehenge, von vielbeschäftigten Druiden aufgestellt und vergessen. Aus Olgas banger Gewißheit war das nackte Elend geworden.
    Sie war mutterseelenallein im schwarzen Turm. Erst hatten die Kinder sie im Stich gelassen, jetzt Ramsey und dieser Sellars. Sie war wieder auf sich selbst zurückgeworfen.
     
     
    > »Ich begreife es einfach nicht«, beendete Sellars seine Ausführungen.
    Ramsey versuchte, möglichst intelligent dreinzuschauen, aber er hatte den Faden von Sellars’ Erklärung schon vor einer ganzen Weile verloren. »Tja, irgendwo in dem Gebäude wird es noch eine andere Anlage geben.«
    »Nein«, widersprach der alte Mann, »so einfach ist das nicht. Alle

Weitere Kostenlose Bücher