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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Springbrunnen und den leeren Tisch mit den hängenden Gardenien in der Vase.
    Olga warf im Vorbeigehen einen kurzen Blick auf den Tisch, über dessen schwarzglänzende Platte gerade irgendwelche Naturszenen zogen. War es das, was sie für Sellars hätte finden sollen, ein Bildschirmterminal auf der Wachetage? Wenn, dann spielte es jetzt keine Rolle mehr - Sellars meldete sich nicht, und selbst wenn der Tisch das Portal zu allen Geheimnissen der J Corporation gewesen wäre, hätte sie nicht die geringste Ahnung gehabt, wie sie es anstellen sollte, diese aufzudecken.
    Plötzlich fiel ihr ein, daß überall ringsherum Kameras sein mußten und daß sie keinen heimlichen Verbündeten mehr hatte, der sie unsichtbar machte, und so zog sie einen Lappen aus ihrem Overall und staubte den Tisch kurz ab, bevor sie weiterging zu einer Tür in der linken Seitenwand. Sie war sicher, daß es irgendwo auf diesem Stockwerk einen Fahrstuhl zu Jongleurs privatem Penthouse geben mußte – in den Informationen, die sie sich angeguckt hatte, war davon die Rede gewesen, daß über dieser Etage Platz für noch mindestens ein Dutzend weitere war. Mit angehaltenem Atem streckte sie dem Leser ihre Marke hin und wappnete sich innerlich dagegen, von einem ohrenbetäubenden Alarm begrüßt zu werden. Statt dessen glitt die Tür auf und gab den Blick auf den Raum dahinter frei. Was sie dort sah, ließ sie zurückprallen.
    Der Raum war groß, vielleicht fünfzig Meter lang und genauso breit. Außen herum war er leer – bis auf den Teppichboden. Den Mittelteil, ungefähr drei Viertel des Raumes, nahm ein bis zur Decke reichender Kubus aus dickem Plexiglas ein, so dick, daß es bestimmt kugel- und bombensicher war. Im Innern des Plastikkäfigs befand sich ein komplettes Büro – kein schickes Gartenidyll wie der Empfangsbereich, sondern eine Arbeitsumgebung mit Schreibtischen und Apparaten und einer langen Zeile großer Monitore. Die Beleuchtung war gedämpft, und Datenströme zogen direkt über die Plexiglaswände und machten das düstere Innere noch schlechter erkennbar. Holographische Strukturmodelle des Gebäudes rotierten über zweien der Tische; ansonsten schien sich im Augenblick nichts zu bewegen außer den Neonlinien, die über die Scheiben flackerten. Doch als Olgas Augen sich an das Schummerlicht gewöhnt hatten, sah sie, daß etliche muskulöse Männer in Hemdsärmeln über die ganze Wachzentrale verteilt saßen wie Affen in einem Zookäfig und sie anstarrten.
    Olga blieb die Luft weg. Am liebsten wäre sie zurück durch den Empfangsbereich gerannt und hätte sich in den Aufzug gestürzt. Ich bin ertappt!
    Einer der Männer stand auf und winkte ihr. Die Beine wollten ihr nicht gehorchen. Er runzelte mißmutig die Stirn und dröhnte mit elektronisch verstärkter Stimme: »Komm her!«
    Sie zwang sich, auf eine schwere Plexiglastür in der durchsichtigen Wand zuzuschleichen. Hinter den Wachmännern, am hinteren Ende des Plastikkubus, ragte ein einzelner breiter, rechteckiger Schacht aus schwarzem, glänzendem Fibramic bis zur Decke. Eine blanke Tür blickte in ihre Richtung. Ein Fahrstuhl in die oberen Etagen, erkannte sie, doch ohne Freude oder großes Interesse. Er hätte sich genausogut in einem anderen Land befinden können.
    »Gib mir deine Marke!« sagte der Mann. Er war ungefähr halb so alt wie Olga und hatte einen bis auf zwei Streifen über den Ohren völlig kahlgeschorenen Kopf. Er sprach ruhig, doch seine Augen waren erschreckend kalt, und unwillkürlich mußte sie die große Pistole anstarren, die er in einem Achselhalfter trug. »Deine Marke!« wiederholte er ein wenig schärfer.
    »’tschuldigung, ’tschuldigung.« Sie fummelte das Ding von ihrem Overall ab und warf es in eine Klappe, die in der Tür aufging. Ihre Hände zitterten so sehr, daß sie sicher meinte, sie würden sie allein aus dem Grund schon eliminieren.
    »Was machst du hier?« Der Mann hielt ihre Marke an einen kleinen Kasten. »Du hast keine Befugnis, in diesem Stockwerk zu sein.«
    Olga fühlte, wie das Mißtrauen des Mannes mit jeder Sekunde wuchs. Seine Gefährten plauderten miteinander – einer lachte sogar und gestikulierte, erzählte vielleicht eine lustige Geschichte –, aber selbst in ihrer Lockerheit wirkten sie noch wachsam. »Ich suche … ich …« Sie übertrieb ihren Akzent, um einen besonders harmlosen Eindruck zu machen, aber es war eigentlich auch egal. Ihr Gehirn war wie gelähmt. Sie kam nicht auf den Namen. Sie war noch keine Stunde

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