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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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lange her vor, daß er die Nummer das letzte Mal angewählt hatte. Beim zwölften Summton geschah immer noch nichts, und seine schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bestätigen. Er wollte es gerade aufgeben, als sich eine Stimme meldete.
    »Hallo? Wer ist da?« Der Bildschirm blieb dunkel, aber der Tonfall war unvergeßlich.
    »Catur Ramsey. Du erinnerst dich doch noch an mich, nicht wahr?«
    »Ich erkenne die Leitung nicht, auf der du anrufst.« Kurze Pause. »Eine ziemlich merkwürdige Verbindung, muß ich sagen.«
    Sellars’ Sicherheitsvorkehrungen, begriff Ramsey. Ihre Anrufe vom Hotel aus nach draußen mußten quer durch die Hölle und Kansas geleitet werden – ein Lieblingsspruch seines Vaters. »Ich bin es, ich schwör’s. Kannst du … kannst du nicht eine Stimmüberprüfung oder sowas machen?«
    »Yeah.« Er schien ein wenig langsamer zu sprechen, als Ramsey es in Erinnerung hatte. »Aber ich müßte sie über dieses Polizeisystem laufen lassen, das … das ein Freund von mir aufgetan hat. Das würde eine Weile dauern.«
    »Solange kann ich nicht warten. Hör mal, hast du noch meine alte Nummer? Ruf mich auf der an. Ich werde nichts weiter sagen als ›Ich bin’s‹, auflegen und dich zurückrufen. Klar?« Selbst wenn seine normale Leitung abgehört wurde, würde auf die Art bestimmt nicht mehr passieren, als daß jemand einen sonderbaren kurzen Wortwechsel mitbekam, oder?
    Zwei Minuten später war der elektronische Pas de deux erfolgt, und Ramsey rief wieder auf der geschützten Leitung an.
    »Zufrieden?«
    »Halbwegs«, knurrte der andere. »Aber kann sein, daß ich dich trotzdem noch durch das Kenngear laufen lasse.«
    Ramsey konnte sich ein müdes Grinsen nicht verkneifen. So weit war es also gekommen. Daß man sich gegenüber mißtrauischen Apparaten ausweisen mußte. »Wie geht’s, Beezle?«
    »Geht so. Lange nichts von Orlando gehört.«
    Obwohl er allein im Zimmer war und nur mit einem zu Ehren gekommenen Kinderspielzeug redete, zuckte er unwillkürlich schuldbewußt zusammen. Beezle wußte nicht Bescheid?
    Woher auch? Ziemlich unwahrscheinlich, daß jemand daran denkt, Orlandos Gear zu kontaktieren und vom Tod seines Herrn zu benachrichtigen. Im Gegenteil, seine Eltern waren hinter Beezle her und wollten ihn abschalten. Kein Wunder, daß er sich abgeseilt hat.
    »Ich brauche dich«, sagte er, womit er zwar um das Thema herumkam, nicht aber um die Frage, ob es unmoralisch war, einen Apparat anzulügen, oder eher zu verzeihen, wenn es nur durch Verschweigen geschah. »Ich bin immer noch an derselben Sache dran, die du und ich letztens verfolgt haben, aber jetzt stecke ich in ernsten Schwierigkeiten.«
    »Ich weiß nicht so recht.« Die Taxifahrerstimme klang nach wie vor ein wenig schwerzüngig, so als ob Beezle sich die elektronische Entsprechung von ein paar Samstagnachmittagsbierchen genehmigt hatte und jetzt nur schwer in die Gänge kam. »Ich muß meine Leitungen freihalten, falls Orlando mich erreichen will.«
    Ramsey schloß die Augen. Er war so müde, daß er kaum noch reden konnte, so von Sorgen um Olga Pirofsky gequält, daß er schon Magenschmerzen hatte. Nur seiner zehnjährigen Gerichtserfahrung hatte er es zu verdanken, daß er nicht die Fassung verlor und etwas Dummes, nicht Wiedergutzumachendes sagte, aber er war nahe dran. »Wenn er mit dir in Kontakt treten will, hast du doch bestimmt Möglichkeiten, das mitzukriegen. Bitte, Beezle. Das hier ist wichtig. Wenn … wenn das, was Orlando getan hat, einen Sinn haben soll, dann ist das die Sache, um die es geht.«
    Wieder schwieg Beezle eine Weile, höchstwahrscheinlich um Ramseys verquaste Ausdrucksweise zu entschlüsseln; vielleicht wog er auch die Dringlichkeit in Ramseys Stimme ab. »Sag mir, was du brauchst, Boß«, meinte der Agent schließlich. »Ich schau mal, ob ich was machen kann.«
    »Gott sei Dank«, schnaufte Ramsey. »Und dir auch. Danke, Beezle.« Während er sich anschickte, ihm alles von Sellars zu übermitteln, was er auf seinem Pad hatte, auch die Aufzeichnung des letzten Anrufs, ging ihm die Frage durch den Kopf, was Beezle wohl in der Zeit seit ihrem letzten Gespräch gemacht hatte. »Wo bist du eigentlich derzeit?«
    »Nirgends so richtig«, antwortete die Reibeisenstimme. »Ich …« Sie verstummte wieder. Ramsey verfluchte sich für die dumme Frage – was bedeutete schon ein physischer Standort für eine elektronische Schaltlogik? Und überhaupt, fand Ramsey, den das chaotische Universum, das er

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