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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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von Sellars’ Leine los, und schon hatte sie alles verpatzt.
    Ich will nicht sterben – nicht so, wegen so einem blöden Fehler. Ich will nicht, daß diese Männer mich erschießen und mich irgendwo in den Sumpf schmeißen, wo Wasserhyazinthen über mir wachsen wie auf diesen wracken Booten …
    »Jerome!« sagte sie, auch wenn sie nicht glaubte, daß es ihr viel nützen würde. »Ich suche Jerome.«
    »Jerome? Wer zum Teufel ist Jerome?«
    »Er ist Raumpfleger.« Sie gab sich alle Mühe, wie eine völlig beschränkte russische Bäuerin zu klingen, der kein Kosak mit einem Fünkchen Selbstachtung die geringste Aufmerksamkeit schenken würde. »Er ist … Freund von mir?«
    Der Wachmann sah sich zu einem seiner Kollegen um, der etwas zu ihm sagte, das sie nicht verstehen konnte.
    »Ach, der Jerome?« sagte der Mann, der sie verhörte, und lachte. »Der Heini, hm?« Er wandte sich wieder Olga zu. »Und wie kommst du auf den Gedanken, er könnte hier oben sein, Frau Zsch…« Er kniff die Augen zusammen und spähte auf den Monitor. »Frau Czotilo. Wieso suchst du ihn hier? Er arbeitet auf den unteren Stockwerken.«
    »Oh, ich finde nicht ihn dort«, sagte sie und hoffte, daß ihre Angst als passend zu ihrer Stellung und ihrer Situation empfunden wurde. »Ich denke, vielleicht ihr seht ihn auf eure Kameras und mir sagt.«
    Der junge Wachmann fixierte sie mit einem langen, harten Blick, dann wurde seine Miene ein wenig milder. »Hast du gedacht, was?« Er machte über die Schulter eine kurze Bemerkung, die sie nicht mitbekam, und seine Kollegen lachten. »Na gut, ich schau mal. Ist Jerome dein Liebster?«
    Olga schaute möglichst verlegen drein. »Ist nur … gut Freund. Wir essen Mittag zusammen, ja? Manchmal?«
    Der Mann begab sich an einen der Monitore und kam gleich wieder zurückgeschlendert. »Ich hab ihn grade aus einer der Toiletten im Stockwerk A kommen sehen. Wenn du sofort mit dem Aufzug runterfährst, müßtest du ihn noch erwischen.« Sein Lächeln erfror. »Eins noch. Paß nächstens auf, wo du in diesem Gebäude hingehst. Die Chefs können ziemlich unangenehm werden, wenn Leute sich rumtreiben, wo sie nichts zu suchen haben. Klar?«
    Sie nickte eifrig, während sie sich rückwärts auf den Ausgang zuschob. »Vielen Dank!« Ihre Dankbarkeit war nicht gespielt.
    Im Fahrstuhl klemmte Olga sich die Hände unter die Achseln, um das Zittern abzustellen. Sie war wütend auf sich. Was hatte sie denn gedacht – daß es ein Klacks sein würde? Sie hatte sehr, sehr großes Glück, daß sie in diesem Moment nicht in einer Zelle saß.
    Aber was macht das schon? An diesen Leuten vorbeizukommen ist ausgeschlossen. Ich habe versagt. Ich habe die Kinder ein für allemal verloren.
    Sie wünschte, der Aufzug würde durch das Fundament des Hochhauses hindurch weiterfahren in den Deltaschlamm und sie dort spurlos begraben.
     
     
    > Zeit, dachte Ramsey. Die Zeit läuft uns weg. Wieviel haben wir noch? Keine achtundvierzig Stunden mehr, bis das Wochenende vorbei ist und jemand merkt, daß Olga beim Arbeitsantritt nicht in ihrer Schicht ist, ganz zu schweigen davon, daß das Gebäude wieder von Angestellten wimmeln wird …
    »Verdammt!« Er setzte sich und starrte verzweifelt sein Pad an. Sellars und der kleine Cho-Cho lagen bewußtlos im Nebenzimmer, starben vielleicht, und auf Catur Ramsey lastete jetzt die alleinige Verantwortung für die Sicherheit von Olga Pirofsky … aber er konnte ihre Fonnummer nicht finden.
    »Wir können doch nicht einfach … abgeschnitten sein!« Er blickte Sorensen flehend an. »Wir müssen doch noch mit ihr in Verbindung stehen!«
    »Hat Sellars dir nicht gesagt, was du tun sollst?« Major Sorensen beäugte die Anzeige von Ramseys Pad mit der Miene eines stümperhaften Automechanikers, der sich zu dem Eingeständnis genötigt sieht, daß er leider keine Ahnung hat, was ein Ringventil ist.
    »Er hat mir so gut wie gar nichts gesagt. Er hat irgendwas davon gebrabbelt, das System würde zusammenbrechen oder so. Er würde sich bald wieder melden. Und das war’s dann.« Ramsey stützte den Kopf in die Hände. Er hatte in den letzten vier Stunden nichts Anstrengenderes getan als mitgeholfen, den vogelleichten Körper des im Koma liegenden Sellars umzubetten, doch er war noch nie im Leben so erschöpft gewesen. »Er hat die Verbindung zu Olga über irgendein verrücktes Karussel von Relaisstellen geleitet – aus Sicherheitsgründen, wie er mir erklärte. Aber ich kann sie nicht finden! Ich blicke

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