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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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bewegte sich hinter Wells.
    Der Cheriheb ließ auf einmal das Messer fallen. Noch bevor es klirrend am Steinboden aufkam, war der Folterer von der Schlachtbank zurückgetaumelt, mit beiden Händen vor dem Gesicht fuchtelnd. Er wurde von etwas umschwärmt, das Paul nicht richtig erkennen konnte, einer sausenden Wolke aus hellen Teilchen.
    »Herr!« kreischte der Priester. »Rette mich!«
    Aber Wells hatte es auch erwischt: Paul sah aus den Augenwinkeln seine lange Mumiengestalt mit einem kleinen, haarigen Angreifer ringen, der sein Bein gepackt hielt wie ein Hund. Wells fluchte vor Schreck und Schmerz und schlug auf seinen Bedränger ein. Andere Gestalten strömten in den Raum. Leute schrien. Die Fackeln flackerten heftig, so daß die eben noch so ruhigen Schatten wie wild über die Wände zuckten. Alles schien sich auszudehnen und zu verwackeln.
    Jetzt kämpfte Wells mit einer dunkelhaarigen Figur, die beinahe so groß war wie er. Eng umklammert wälzten sie sich am Boden, als plötzlich ein greller Blitz ringsherum alles blau aufleuchten ließ. Mühsam hob Paul den Kopf vom Stein und blinzelte gegen die Blendwirkung der Lichtexplosion an.
    Was geschieht hier …? war alles, was er noch denken konnte, da schoß der immer noch schreiende Userhotep neben ihm in die Höhe, ein anderes Messer in der Hand und das Gesicht voll wild zappelnder kleiner Gestalten. Der Priester fiel quer über den Altar und schmetterte Pauls Kopf auf den Stein zurück. Dann wurde alles schwarz.
     
    Seine Glieder waren endlich frei, aber sie glühten wie Feuer, und sein Herz stotterte wie ein Motor, der mit schlechtem Treibstoff fuhr. Seinem Kopf ging es noch miserabler. Jemand hatte ihn unter die Achseln gefaßt und hielt ihn hoch.
    »Mein Gott, er ist ganz naß! Er blutet …!«
    Mit grenzenloser Dankbarkeit erkannte Paul Martines Stimme. Er wollte die Augen öffnen, aber er hatte irgend etwas Salziges darin, das brannte. »Flach …«, japste er und machte einen vergeblichen Versuch, auf eigenen Beinen zu stehen. Das wieder einströmende Blut fühlte sich an wie ein Schwarm mörderisch beißender Ameisen. »Flache Schnitte. Haben erst … angefangen …«
    »Nicht reden!« befahl Florimel von der anderen Seite. »Spar deine Kräfte. Wir werden dir helfen, aber wir müssen hier verschwinden.«
    »Ich hätte nie gedacht, daß ich den Gelbgesichtigen einmal so sehen würde.« Diesen Satz sagte eine tiefe und rauhe Stimme, die Paul nicht kannte und die von ziemlich weit unten kam, so als ob der Sprecher am Boden kniete. »Da windet er sich wie ein Wurm auf einem heißen Stein.« Das Lachen klang schadenfroh. »Das ist ein mächtiger Zauber, den du da in deiner Hand hast, mein Freund.«
    »Will nix wie weg hier, äi«, hörte Paul T4b sagen. Er war so atemlos, als ob er gerade einen Marathon gelaufen wäre. »Ehe dieser seyi-lo Killer uns auf die Pelle rückt.«
    »Sollen wir ihn erledigen?« fragte Florimel, und in seinem wirren, zerschlagenen Zustand meinte Paul zunächst, seine Freunde hätten die Absicht, ihn von seinem Leiden zu erlösen.
    »Guck, guck!« fistelte ein hohes Stimmchen beinahe in seinem Ohr. »Voll Blut! Bise hindefallen, Mister? Hasen zoomsigen Ratzfatz macht, hn?«
    »Was ist das für ein Zirkus, verdammt?« stöhnte Paul. »Was geht hier vor?«
    »Du redest leichtfertig davon, Ptah zu erledigen«, bemerkte die rauhe Stimme, als ob Paul gar nichts gesagt hätte, »aber ich muß dich warnen: Einen Gott zu töten verändert die Ordnung des Himmels, zumal einen so wichtigen Gott wie den Herrn der weißen Wände.«
    »Wells ist nicht unser wirklicher Feind«, meinte Martine. »Das wahre Ungeheuer kommt erst noch, und es kann jeden Moment hier sein.«
    Der Sprecher neben Pauls Knien schnaubte. »Wenn euer Feind unser neuer Herr und Gebieter Anubis ist«, sagte er, »dann braucht ihr keine andern Feinde mehr. Wenn er uns in die Hände bekommt, wird er euch – und mich – unter seinen schwarzen Fersen zu Staub zermalmen.«
    Paul hatte sich endlich die Augen freigezwinkert. Der Mann neben ihm kniete gar nicht. Es war ein Zwerg mit einem langen, zottigen Vollbart und einem unglaublich häßlichen Gesicht, das sich zu einem breiten Grinsen verzog, als er Pauls Blick bemerkte.
    »Euer Freund kann wieder sehen«, sagte er und verneigte sich. »Du brauchst Bes nicht dafür zu danken, daß er dich und deine Gefährten gerettet hat. Es gibt für einen Hausgott wenig zu tun in einem Land, wo alle Häuser in Trümmern liegen.« Der Zwerg

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