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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zu bezähmen. Was hatte das schon zu besagen? Der Junge hatte recht, es konnte eine völlig normale Recherche von jemandem sein, der, aus welchen Gründen auch immer, ein gut abgeschirmtes System hatte. Aber unwillkürlich wanderte ihr Blick zu dem verwischten Gesicht von John Wulgaru auf dem Wandbildschirm über ihr. Ich kriege dich, du Dreckskerl. Irgendwie. Irgendwann.
    »Bis wann kannst du mit Sicherheit sagen, woher das kommt?«
    »Weiß nicht.« Er schob nachdenklich die Unterlippe vor. »Grad hab ich ziemlich den Drezz. Ich mach mich morgen wieder dran. Aber ’n paar Tage könnt’s dann noch dauern.«
    »Vor morgen kannst du dich nicht nochmal dransetzen?«
    Gerry Two Iron bedachte Calliope mit dem weltweit gebräuchlichen Teenagerblick speziell für bescheuerte Erwachsene. »Hab den ganzen Tag noch nichts gegessen, he.« Ein künstliches Grinsen verriet seinen Unwillen. »Selbst die Polizei läßt einen was essen, oder?«
    »Okay, natürlich. Ich bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe. Tut mir leid, wenn ich mich so anstelle.«
    Als er ausgeklickt hatte, ärgerte sie sich über sich selbst. Einen echten Zeitdruck gab es doch gar nicht. Polly Merapanui war seit fünf Jahren tot und begraben. John Wulgaru alias Johnny Dread war angeblich schon ein paar Monate länger tot. Wozu die Eile?
    Doch während sie so in der dunkel werdenden Wohnung saß, mit den verschwommenen Aufnahmen und den endlos studierten Dateien auf dem Wandbildschirm als einziger Lichtquelle, konnte sie sich des Gefühls nicht erwehren, daß ihr mehr als nur ein Wochenende in die Binsen ging.
     
    Als sie sich endlich aus dem Bett quälte, war der Vormittag schon halb vorbei. Sie hatte nach dem Abendessen vier Bier gebraucht, um die nötige Bettschwere zu bekommen, und jetzt saßen sie ihr in den Knochen. Sie schlürfte im Wohnzimmer hinter heruntergelassenen Jalousien ihren Kaffee und grübelte darüber, ob Gott die hellen Sonntagmorgen absichtlich zu einer Qual für das Auge gemacht hatte, um die Sünder zu zwingen, in dunklen Kirchen Zuflucht zu suchen.
    Sie hatte sich nach der zweiten Tasse gerade zu dem Entschluß durchgerungen, es doch mit einem Happs zum Frühstück zu versuchen, als ihr endlich aufging, daß das vermeintliche und hartnäckig ignorierte Symptom beginnender Kopfschmerzen in Wirklichkeit ein Blinken in der Ecke ihres Wandbildschirms war. Eine Mitteilung. Sie hatte im Schlaf offenbar einen Anruf überhört.
    Elisabetta? Oder Kendricks Freund? War der Tag doch noch nicht ganz verloren? Mit dem sauren Gefühl im Magen und dem trockenen, pappigen Gefühl im Mund mochte sie nicht recht daran glauben, aber sie rief die Nachricht dennoch auf.
    Sie war von Gerry Two Iron. Er habe eine Nachtschicht eingelegt, teilte er mit, und er habe eine Kleinigkeit für sie. Die Sache, die sie wissen wollte, erklärte seine Bildaufzeichnung bedeutungsschwer. Trotz ihrer Ungeduld und diesmal tatsächlich einsetzender Kopfschmerzen mußte sie grinsen. Der Knabe guckt zu viele Thriller. Sie rief ihn zurück.
    Nachdem er seine Ergebnisse vorgetragen hatte, bedankte sie sich vielmals bei ihm – ja, versprach sie, sie werde auf jeden Fall die Möglichkeit eruieren, ihn zu einem Polizeihelfer zu machen (was immer das heißen mochte) – und starrte dann versonnen auf den inzwischen kalt gewordenen Kaffee in ihrem Becher. Möglicherweise war mit den Früchten von Gerry Two Irons Detektivarbeit etwas anzufangen, aber genausogut konnte sich herausstellen, daß sich dahinter tatsächlich nicht mehr verbarg als eine stinknormale Wortsuche, jemand, der ein bestimmtes Detail aus der uraustralischen Mythologie brauchte. Aber der Ausgangspunkt war ein Telekomrouter bei ihr in Sydney, wenn sie jetzt also den Anbieter dazu brachte, eine Hausadresse auszuspucken …
    Calliope seufzte. War das eine Art, den Sonntag zu verbringen? Falls die Telekomgesellschaft ihr nicht freiwillig Auskunft gab, mußte sie eine richterliche Anordnung erwirken. Wie sollte sie die bekommen, ohne sich einen Riesenanschiß von oben einzuhandeln, vielleicht sogar eine offizielle Untersuchung?
    Sie wollte es zuerst beim Telekomanbieter mit vorsichtiger Überzeugungsarbeit versuchen, mal sehen. Damit war der zweite Wochenendtag im Eimer. Na, immer noch besser als Hausputz.
    Und was tun, wenn sie die Adresse tatsächlich bekam? Bis Montag warten?
    Stan ließ es eine Ewigkeit klingeln. Als der Anruf endlich angenommen wurde, starrte ihr die Fratze eines Monsters entgegen,

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