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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Folterkammer. Seine Mumienbinden waren schmutzig und zerrissen, und mit Furcht und Trotz in seinem bananengelben Gesicht schaute er zu der riesenhaften Gestalt des schakalköpfigen Anubis auf.
    »Woher sollte ich das wissen?« Wells sprach nuschelnd, als ob sein Gehirn etwas abbekommen hätte. »Es war bloß so ein junger Kerl – muß derselbe gewesen sein, der Yacoubian fertiggemacht hat. Er hat einfach … seine Hand in mich reingesteckt. Ich war total gelähmt. Es war fast so, als wäre ich offline befördert worden, nur daß ich nach wie vor in diesem virtuellen Körper drin war.«
    »Was brabbelst du da für einen Scheiß?« Dread streckte Wells ganz plötzlich mit einer kräftigen Ohrfeige zu Boden. »Ich geb dir gleich gelähmt, du winselnde Tunte! Die Priester sagen, meine Gefangenen wären entflohen, alle meine Gefangenen. Ich hatte mir noch zwei von diesen miesen, kleinen Frömmlern aufgehoben, aber die hätten keinen Ausbruch mehr zustande gebracht. Die waren so gut wie tot. Also von wem reden die Priester?«
    »Sie sind einfach … hier aufgetaucht«, antwortete Wells hastig. »Dieselben, mit denen ich zusammen in Kunoharas Welt war. Sie sind hier aufgetaucht, und ich habe sie für dich festgenommen.«
    »Kunoharas Welt …?« Dread funkelte die geduckte Gestalt an. »Willst du damit sagen …?«
    Wells machte Anstalten, aufzustehen. »Paul Jonas war bei ihnen, verstehst du?«
    »Wer zum Teufel ist das?« Der Name kam ihm irgendwie bekannt vor, aber ein heißer Wutschwall, bei dem ihm war, als würde er gleich in Flammen ausbrechen, löschte alle Erinnerungen aus.
    »Jemand, nach dem Jongleur gefahndet hat!« Wells schien der Meinung zu sein, mit dieser Mitteilung alles wiedergutgemacht zu haben, denn er rappelte sich vollends auf. »Der Alte Mann hat das ganze Netzwerk auf den Kopf gestellt, um ihn zu finden, aber wir haben nie erfahren, warum – wir kannten nicht mal seinen Namen. Jonas’ Gedächtnis ist irgendwie hypnotisch blockiert, deshalb dachte ich, eine kleine Behandlung von einem der Cherihebs könnte da was in Bewegung bringen …«
    »Halt’s Maul!« brüllte Dread. »Dieser Jonas ist mir scheißegal. Wer war hier? Was für Gefangene? Wer ist entflohen?«
    Wells zuckte ängstlich zurück. »Ich sag doch, die … die Leute aus Kunoharas Welt. Weißt du nicht mehr? Du hast diese ganzen mutierten Insekten auf sie gehetzt. Da war der Junge mit dieser seltsamen Hand. Die Frau mit dem Kopfverband. Die blinde Frau …«
    »Du … du hast Martine hier gehabt?« Dread blieb einen Moment lang die Luft weg. Seine Hände zitterten. »Du hast Martine Desroubins und ihre Freunde hier gehabt und mir nicht Bescheid gesagt?«
    Wells trat einen Schritt zurück. Er versuchte, sich höher aufzurichten. »Ich hätte dir schon Bescheid gesagt. Bestimmt! Aber ich kann sehr gut selber Entscheidungen treffen. Ich habe eines der größten Unternehmen der Welt geleitet – und jetzt bin ich auch ein Gott!«
    Dread hatte ihn so blitzschnell geschnappt, daß Robert Wells nicht einmal mehr piep sagen konnte. Der Schakalgott packte ihn mit seiner großen Hand an der Kehle und hob ihn hoch, bis seine umwickelten Füße einen guten Meter über dem Boden baumelten.
    »Wo sind sie hin?«
    Mit vortretenden Augen schüttelte Wells heftig den Kopf.
    »Na schön. Das find ich schon selber raus.« Er zog Wells ganz dicht an seinen Rachen heran, so daß er den haarlosen Ptah-Schädel mit einem einzigen Biß wie eine Walnuß hätte knacken können. »Ihr beschissenen Yankees haltet euch für besonders schlau, was? Aber eines ist dir anscheinend trotzdem nicht klar: Ob du ein Gott bist oder nicht … der Allmächtige hier bin ich.«
    Der Festgehaltene wehrte sich in seiner Todesangst, aber nur kurz. Dreads Hand schoß vor wie eine zuschnappende Kobra, fuhr in Robert Wells’ aufgerissenen Mund und stieß mit den Fingern nach oben durch die Schädeldecke, als ob sie eine Eierschale wäre. Nachdem er den kleineren Gott fest im Griff hatte, nahm er die andere Hand von der Kehle und zog damit die gelbe Oberlippe grauenhaft weit zurück wie eine Latexmaske, bis das Gesicht komplett verschwunden war. Mit einem gewaltigen Ruck seines langen Armes riß er Ptah das ganze Skelett aus dem Leib und ließ es zu Boden fallen. Eine Puppe aus Knochen und Sehnen zuckte wie ein an Land geworfener Fisch neben dem leeren, gummiartigen Fleischlappen. Die noch in den Höhlen des blanken Schädels sitzenden Augen rollten wie wild, bis das Licht der

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