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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Intelligenz in ihnen verglommen war.
    »Ein Gott bist du also, was?« Dread spuckte neben die feuchten, glänzenden Knochen. »Dann heil das.«
    Geringfügig aufgeheitert machte sich Anubis auf die Suche nach seinen Gefangenen.
     
     
    > Langsam wurde sein Kopf wieder klarer. Die drückende Wolke, die seine Gedanken verdunkelt und verwirrt hatte, verzog sich, wie weggebrannt von der feurigen ägyptischen Sonne, doch trotz der Besserung hatte Paul nicht nur keine Lust zu denken, sondern einen aktiven Widerstand dagegen. Die Erinnerung an seinen hilflosen Zustand war ihm qualvoll.
    Beim Aufwachen auf dem Schiffsdeck hatte er sich in den Schatten des goldenen Baldachins geschleift. Sie schienen den Kanal verlassen zu haben und auf dem Nil zu fahren: Auf beiden Seiten des breiten braunen Flusses erstreckte sich nichts als Sand. Die in der Ferne verschwimmenden gelbgrauen Berge unterstrichen nur die Leere der flachen, kahlen Wüste.
    Doch ob er wollte oder nicht, schwirrten ihm Erinnerungsfetzen durch den Kopf – Ava, das Zwitschern der Vögel, der Triumph auf Mudds unmenschlichem Gesicht, als er sie eng umschlungen ertappt hatte.
    Ich habe sie geküßt. Habe ich sie geliebt? Wieso kann ich das nicht fühlen? Wenn man jemanden liebt, kann man das doch nicht vergessen.
    Doch es war alles zu dunkel, zu leidbefrachtet. Er wollte nicht noch mehr wissen – bestimmt hatte eines von ihnen das andere verraten. Nichts sonst konnte seine Abwehrreaktion auf die Vorstellung erklären, noch weitere Erinnerungen heraufzuholen.
    Er war dankbar, als Nandi Paradivasch sich leicht ächzend neben ihm niederließ und ihn aus diesen trübsinnigen Betrachtungen riß. »Ich sehe, du bist wach.« Er sprach viel langsamer als bei ihrer ersten Begegnung. Überhaupt wirkte dieser Nandi ganz anders als die energische Persönlichkeit, mit der er im Boot durch Xanadu gefahren war – hart und trocken, als ob er im Herzen versteinert wäre. »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Paul Jonas.«
    »Ich freue mich auch. Ich hatte nie Gelegenheit, mich bei dir zu bedanken, daß du mich gerettet hast.«
    »Vor den Männern des Khans?« Ein müdes Lächeln erschien auf Nandis Gesicht. »Sie haben mich tatsächlich erwischt, aber ich konnte entkommen. Es ist so ähnlich wie ein Abenteuerspiel, dieses Leben, was? Aber viel zu gefährlich, für den Leib wie für die Seele.«
    »Nichts um dich herum ist wahr, und doch kann das, was du siehst, dich verletzen oder töten«, zitierte Paul aus dem Gedächtnis. »Das war die Botschaft, die ich erhielt – ich glaube, das habe ich dir damals erzählt. Und du hast mich noch in einer andern, viel wesentlicheren Hinsicht gerettet. Du hast mich darüber aufgeklärt, wo ich war. Von da an mußte ich nicht mehr fürchten, den Verstand zu verlieren.«
    Darauf bedacht, seine verbrannten Beine zu schonen, nahm Nandi vorsichtig den Lotussitz ein. Beim Anblick des rohen Fleisches traten Paul seine letzten Stunden im Tempel so plastisch wieder vor Augen, daß ihm fast schlecht wurde.
    Nandi schien es nicht zu bemerken; seine Augen waren auf das Ufer gerichtet. »Gott wird uns vor den Bösen bewahren. Er wird ihre Werke vereiteln.« Er wandte sich Paul zu. »Und ihre Werke sind in der Tat vereitelt worden, nicht wahr? Ich habe erzählt bekommen, was mit der Unsterblichkeitszeremonie der Gralsbruderschaft geschah.«
    »Ja, aber trotzdem macht es nicht den Anschein, als würden wir siegen.«
    Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, sagte Paul unvermittelt: »Übrigens hattest du recht. Mit den Pankies.«
    Nandi runzelte die Stirn. »Mit wem?«
    »Das war dieses englische Paar. Der Mann und die Frau, die bei mir waren, als wir beide uns das erste Mal begegneten. Du meintest damals, sie wären nicht, was sie zu sein scheinen.« Er berichtete die merkwürdige Episode in den Katakomben unter Venedig, als die Zwillinge und die Pankies sich kurz wie Spiegelbilder gegenübergestanden hatten, und wie Sefton und Undine Pankie sich umgedreht hatten und verschwunden waren. »Aber was sie sind, ist damit immer noch nicht geklärt«, sagte er.
    »Frühe Versionen vielleicht«, meinte Nandi. »Ein Modell, das später von einem verbesserten Produkt abgelöst wurde. Doch man hat vergessen, die ältere Version zu löschen.«
    »Aber es hat noch andere gegeben«, wandte Paul ein, der sich an Kunoharas Welt erinnerte. »Ich bin zweien begegnet, die Insekten waren, und die hatten auch kein Interesse an mir. Sie faselten ständig was von einer

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