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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gefährlichen Geheimnisse vorenthalten«, erklärte Nandi. »Wir haben viele wie ihn angeworben, vielversprechende gläubige junge Männer und Frauen. Wir haben ihnen Informationen und eine Grundausbildung gegeben, und wir haben sie technisch ausgerüstet. Dies ist ein Krieg, den wir hier führen, was gerade ihr besser als sonst jemand wissen solltet. Und wurdet ihr selbst nicht von jemandem angeworben, dessen Motive sehr viel undurchsichtiger sind als unsere?«
    »Arbeitest du vielleicht auch für Kunohara?« fragte Florimel T4b. Sie wirkte außerordentlich aufgebracht, fand Paul. »Hatte Martine recht damit?«
    »Nein! Ich hab nix zu tun mit diesem Kunoheini.« Er sah aus, als ob er gleich losweinen würde. »Und gegen euch gemacht hab ich auch nie nix. Bloß euch nix erzählt … über den Kreis.«
    Paul sah Martine an, doch diese schien nur mit halber Aufmerksamkeit zuzuhören. »Was hast du mit ›gläubigen Männern und Frauen‹ gemeint?« fragte er Nandi.
    »Wir sind eine Gruppe, die vereint ist in dem Glauben an eine höhere Macht, die über den Menschen steht«, antwortete Nandi. »Daraus habe ich kein Geheimnis gemacht, als wir uns kennenlernten.«
    »Aber Javier …?«
    Der Junge zog ein trotziges Gesicht, als er merkte, das ihn schon wieder alle ansahen. »Wiedergeboren bin ich, äi. Jesus hat mich gerettet.«
    »So ist’s recht«, sagte Bonnie Mae. »Schäm dich nicht des Pfads, den du gewählt hast. ›Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit‹, hat Jesus in der Bergpredigt gesagt; ›denn sie werden gesättigt werden.‹ An einem Hunger nach Gerechtigkeit ist nichts auszusetzen.« Sie wandte sich an die anderen. »Dieser Junge hat durch Christus seinen Weg gefunden. Stört euch das? Was ist dann mit mir? Ist es ein Fehler, Gott zu lieben?«
    »Durch Jesus bin ich vom Charge losgekommen«, erklärte T4b ernst. »Ich war verloren, irgendwie. Dann hat er mich gerettet.«
    »Ist er bei dir zuhause vorbeigekommen und hat dir ein paar Entziehungstricks gezeigt?« Florimel lachte bitter. »Tut mir leid, aber ich bin mit diesem Quatsch großgeworden. Er hat das Leben meiner Mutter vergiftet und meines auch. Verzeiht meine Reaktion, aber ich komme mir verraten vor, wenn ich erfahren muß, daß T4b die ganze Zeit einem andern Herrn gedient hat.«
    »Einem andern Herrn gedient?« Jetzt war es Nandi, der zornig wurde. »Wie das? Wir haben nicht mehr mit Javier gesprochen, seit er in das Netzwerk eingetreten ist. Sind eure Ziele nicht auch unsere? Die Kinder zu retten und dieses teuflische Betriebssystem zu zerstören, diese furchtbare Unsterblichkeitsmaschine, die Blut und Seelen als Treibstoff frißt?«
    Ich hatte gerade einen wichtigen Gedanken, als das hier losging, suchte Paul sich zu erinnern, aber er konnte sich nicht von seinen grimmig und verstört blickenden Gefährten losreißen. Nur Martine Desroubins schien woanders zu sein und auf Geräusche zu lauschen, die sie allein hören konnte. »Martine?« sprach er sie an.
    »Es ist nahe«, sagte sie. »Ich fühle es. Es ist anders als alles, was ich sonst hier erlebt habe – vielleicht wie die Höhle der Verlorenen, aber zugleich lebendiger und weniger lebendig. Und es ist sehr stark.« Sie zog eine Grimasse. »Nah. Ganz nah.«
    Paul sah auf. Unermüdlich getrieben von den roboterhaft rudernden Galeerensklaven bog das Schiff um eine Kurve des breiten, träge dahinfließenden Stromes. Als sie an einer Gruppe felsiger Hügel vorbeistrichen, blickte Paul auf einmal in ein weites Tal aus rotem Sand.
    »Gütiger Himmel«, sagte er leise. »Der Tempel.«
    »Er ist leer.« Martines Gesicht war immer noch schmerzverzogen. »Und doch nicht leer. Tief im Innern ist etwas, das heiß und aktiv ist. Er ist wie ein Hochofen mit dicht geschlossener Klappe.«
    Die Böse Bande, die über den Redenden gehangen hatte wie ein bildlicher Gedankenwirrwarr über den Köpfen von Comicstripfiguren, sauste jetzt als gelbes Geschwader nieder und sammelte sich auf Paul.
    »Schlimm da«, sagte eines der Äffchen.
    »Warn da schoma«, meinte ein anderes. »Bloß nich noma. Schnell weg!«
    Mehrere flogen auf und zogen Paul an den Haaren. »Nix wie weg! Wohin, wos Spaß gibt. Schnell!«
    Die Auseinandersetzung über T4b brach ab, als nunmehr alle Streithähne und -hennen in der Ferne den braunen Umriß des Tempels sahen, die wuchtige Fassade mit den Sandsteinsäulen und den pechschwarzen Rechtecken dazwischen.
    »Es … es sieht aus wie ein Zähnefletschen«, sagte

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