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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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verpaßt, die eigentlich sämtliche Funktionen hätte lahmlegen müssen. Er hatte halb die Möglichkeit einkalkuliert, daß er damit das Ding ein für allemal zerstörte, aber in seiner Wut war er außerstande gewesen, noch auf irgend etwas Rücksicht zu nehmen. Statt dessen hatte es die Bestrafung weggesteckt und dennoch gehandelt.
    Es hatte ihm seine Gefangenen gestohlen, und jetzt versteckte es sie irgendwo. Es hatte ihn zum Narren gehalten! Und sie hatten ihn ebenfalls zum Narren gehalten. Das sollten sie ihm alle teuer bezahlen.
    »Ich … ich schau mal, was ich machen kann«, stammelte sie. »Es kann ein bißchen dauern.«
    »Sofort!« kreischte er. »Bevor die Verbindung abbricht oder verschwindet oder was weiß ich. Los!«
    Mit einem Ausdruck in den Augen, der animalischer war als bloße Schuld und auf Tieferes hindeutete als Erschrecken, machte sie sich an ihre Geräte.
     
    »Sie ist noch da«, sagte sie. »Du hast recht. Aber es ist bloß ein Hintertürchen in der Programmierung.«
    »Was zum Teufel heißt das?«
    »Das ist eine Ein- und Ausstiegsmöglichkeit im Netzwerk, scheint sich allerdings in dem Fall nur nach innen zu öffnen. Ich kann’s nicht erklären, weil ich es selbst nicht ganz verstehe.« Ihre Angst war jetzt von Konzentration überlagert, doch er sah ihre Finger über dem Bildschirm noch zittern. Selbst in seiner Weißglut mußte er ihre rückhaltlose Hingabe bewundern, ihre vollkommene Liebe zu ihrer Arbeit.
    Irgendwie sind wir verwandte Seelen, dachte er. Aber trotzdem verschieden genug, daß meine Seele deine Seele fressen muß. Er gedachte, sich mit ihr zu beschäftigen, wenn er mit Martine und den anderen fertig war – war dieses Hurenaas von Sulaweyo dabeigewesen? Er hatte nicht die Zeit gehabt, darauf zu achten. Ach so, und vorher mußte er natürlich noch dem Betriebssystem das letzte Fünkchen eigenen Willen austreiben und ein wimmerndes Häufchen Elend aus ihm machen.
    »Ich hab dich angeschlossen, so gut ich kann«, erklärte sie schließlich. »Es ähnelt ein bißchen den Gateways in andern Teilen des …«
    »Weg jetzt mit dir«, sagte er und warf sie aus der Leitung. Er verengte seinen Fokus, bis er den dahinschwindenden Übergangspunkt beinahe wie ein Irrlicht über dem zerschmetterten Sarkophag schweben sehen konnte. Er fühlte ganz stark seinen Dreh in sich, fühlte ihn in seinem Vorderhirn glühen wie einen heißen Draht, ohne seine Absicht von selbst erregt, wie es manchmal geschah, wenn er jagte. Na, stimmt auch, ich jage, dachte er. Und wie. Sie hatten sich über ihn lustig gemacht, die Pinscher, und jetzt meinten sie, sie wären in Sicherheit. Ich werde sie alle finden, und dann werde ich sie in Stücke reißen, bis nichts mehr von ihnen übrig ist als ihre Schreie.
    Er trat hindurch, ein Gott mit einem Herzen aus schwarzem Feuer. Ein tollwütiger Gott.
     
     
    > Paul konnte nur im Staub liegen und sich krampfhaft zu besinnen suchen, wo er war, wer er war … warum er war.
    Es war, als wäre er durch das Zentrum eines sterbenden Sternes gesaust. Alles war zu unendlicher Dichte zusammengeschnurrt. Eine unbestimmbare Spanne lang hatte er geglaubt, er wäre tot, es wäre nichts von ihm übrig als sich in der Leere zerstreuende Bewußtseinsteilchen, die immer weiter auseinanderdrifteten wie von ihrem Geschwader getrennte Schiffe, bis schließlich der Kontakt abbrach und jedes ein einsames Stäubchen war.
    Er war immer noch nicht ganz sicher, daß er tatsächlich am Leben war.
    Paul stemmte sich vom Boden hoch, der genauso trocken und staubig war wie der Vorplatz des Sethtempels. Eine große Verbesserung gegenüber Ägypten gab es: Der Himmel war grau, mit fernen Sternen besprenkelt, die Temperatur kühl. Paul befand sich am Fuß eines niedrigen Hügels inmitten einer Ebene, auf der sich noch andere solcher Hügel aufwölbten. Die Landschaft kam ihm merkwürdig vertraut vor.
    Bonita Mae Simpkins setzte sich neben ihm auf und rieb sich den Kopf. »Mir tut alles weh«, sagte sie mit matter Stimme.
    »Mir auch. Wo sind die andern? Überhaupt, wo sind wir eigentlich?«
    »Im Innern, glaube ich«, antwortete eine dritte Stimme.
    Paul drehte sich um. Auf der losen Erde halb gehend, halb rutschend kam Martine den steilen Hang herunter, gefolgt von Nandi, T4b, Florimel und einem Jungen, den er nicht kannte, klein, schmutzig, mit grob gestutzten schwarzen Haaren. Die Böse Bande, deren helle Farbe im Dämmerlicht dunkler wirkte, kreiste über ihnen wie ein Schwarm Mücken.
    »Was

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