Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
sah ihn zweifelnd an, dann ihren Vater, der auf der anderen Seite der Suite stand. Sorensen nickte, und sie kam herbei und hockte sich mit angezogenen Beinen neben Ramsey auf die Couch. Er nahm den Hotelführer und berührte das Bild des tansanischen Urlaubsparadieses. Augenblicklich wurde das Bild lebendig. Ramsey stellte den Ton ab. »Siehst du, wie groß sie sind?« fragte er sie. »Sie fressen die Blätter ganz oben in den Baumwipfeln.«
    Christabel runzelte die Stirn, und ihre Wimpern überschatteten ihre großen ernsten braunen Augen. Er merkte ihr an, daß sie nervös war, aber sich alle Mühe gab, es nicht zu zeigen. Catur Ramsey war aufs neue beeindruckt, wie gefaßt dieses kleine Mädchen sich verhielt. »Tut ihnen der Hals weh, wenn sie sich so strecken?« fragte sie.
    »Aber nein. So wenig wie es dir weh tut, wenn du dich ausstreckst und etwas vom Regal holst. Dazu sind sie geboren.«
    Sie biß sich auf die Lippe, während die Broschüre weiterschaltete auf eine glücklich und wohlhabend aussehende junge Familie, die auf der Veranda über einer Wasserstelle zu Abend aß, während Impalas und Zebras elegant durch die Scheinwerferkegel huschten, die das Veld ausleuchteten.
    Ramsey ging es nicht besser als ihr. Er beäugte sein Pad und wünschte, er könnte noch einen Anrufversuch machen, aber der kleinere der beiden Männer in Schwarz, der namens Pilger – kleiner, aber trotzdem gut eins fünfundachtzig und mit Muskeln wie ein Profiringer –, beobachtete ihn genau, auch wenn sein breites Gesicht täuschend gleichgültig wirkte. Ramsey war wütend auf sich, daß er seine T-Buchse nicht dabeihatte.
    Christabels Vater hatte sich in die Kitchenette der Suite begeben und machte sich an den Sensorreglern der Kochzeile zu schaffen. Der andere Leibwächter des Generals, der Schrank namens Doyle, blickte von dem Fußballspiel auf, das er gerade auf der Bildschirmwand verfolgte. »Was machst du da?« fragte er.
    »Ich mache meiner Tochter eine Tasse Kakao, sonst nichts«, antwortete Sorensen grimmig, aber Ramsey sah, daß seine Körpersprache nicht dazu paßte. Er hatte keine Ahnung, was der Major vorhaben mochte, aber er hoffte sehr, daß die Männer in Schwarz nicht genau achtgaben. Andererseits hoffte er auch, daß Sorensen keine Heldentat beabsichtigte – Doyle und Pilger waren bis an die Zähne bewaffnet, und auch Sorensens Freund Captain Parkins, der in seiner Uniform steif in einem Sessel saß und finster auf den Fußboden starrte, hatte seine Dienstwaffe. Schließlich war es Parkins gewesen, der sie festgenommen hatte, und jetzt mußten sie wohl oder übel auf diesen General Yacoubian warten. Damit waren es drei bullige Männer mit Schießeisen gegen ihn und Sorensen, beide unbewaffnet, und ein kleines Mädchen, das wahrscheinlich noch nicht einmal die Stützräder vom Fahrrad abhatte.
    »Papi«, sagte Christabel unvermittelt, da sie bei der fünften Wiederholung der Szene, wie eine Löwin ein Weißschwanzgnu zur Strecke brachte, kein Interesse mehr heucheln konnte, »wann können wir heimgehen? Ich will zu Mami.«
    »Bald, Liebes.«
    Sorensen stand immer noch mit dem Rücken zu ihnen und wartete darauf, daß das Wasser kochte, und Ramsey überlief ein Schauder. Doyle und Pilger mochten den Anschein erwecken, daß sie einfach nur ihren Job machten, aber Ramsey kannte die Sorte, von den Militärstützpunkten seiner Jugend ebenso wie von den Polizeikneipen, in denen er als Erwachsener manchmal beruflich zu tun hatte. Ganz zu schweigen davon, daß bei einem Körperbau wie ihrem vermutlich die Stoffwechselfunktionen optimiert worden waren. Bei Doyle hatte das Weiß der Augen auf jeden Fall einen starken Stich ins Gelbe, was alle möglichen unappetitlichen Gründe haben konnte. Wenn er nach einem der militärischen Biomodprogramme behandelt worden war, dann konnte Sorensen ihm einen Topf mit kochendem Wasser überschütten, und trotzdem war der Leibwächter ungeachtet der Schmerzen und der Verbrennungen dritten Grades noch imstande, mehrere Hälse zu brechen.
    Mannomann, flehte Ramsey im stillen. Major, mach jetzt bitte bloß keine Dummheit!
    Er fragte sich allmählich, auf was für eine Geschichte er sich da eigentlich eingelassen hatte. Yacoubian wußte offensichtlich etwas, das Sorensen eine Heidenangst einjagte – der Mann war kreidebleich geworden, als der General irgendeine Brille erwähnt hatte –, und niemand von ihnen konnte sich ohne die Erlaubnis des Generals irgendwo hinbegeben. Ramsey ärgerte

Weitere Kostenlose Bücher