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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Martine, T4b, Sweet William. Wenn du den Zugang zum Netzwerk kontrollieren kannst, dann müßtest du sie auch freilassen können …« Sie merkte plötzlich, daß sie ihr fehlten. Nachdem sie mehrere Wochen tagaus, tagein mit ihnen gelebt hatte, kannte sie sie besser als die meisten Menschen in ihrem wirklichen Leben. Sie waren so in Not gewesen, so gehetzt und ohne Ausweg …
    Dreads ausdrucksloser Blick war noch kälter und distanzierter geworden. Sie zog ihn am Ärmel. »Du läßt sie doch raus, nicht wahr?« Als er keine Antwort gab, zupfte sie noch einmal. Er riß den Arm mit einer blitzschnellen, heftigen Bewegung weg, die sie beinahe umgeworfen hätte.
    »Still!« herrschte er sie an. »Da benutzt jemand den Hauptsendekanal.«
    An seinen winzigen Lippenbewegungen erkannte sie, daß er subvokal mit einem unsichtbaren Gegenüber kommunizierte. Die weiße Welt ringsherum war vollkommen still bis auf das tiefe Scheuern des Eises. Ein Lächeln verzog ganz langsam sein Gesicht. Er schien noch einmal etwas zu sagen, dann huschten seine Finger kurz über das Feuerzeug. Mit leuchtenden Augen wandte er sich ihr wieder zu.
    »Entschuldige die Störung. Eine Sache, der ich später nachgehen muß.« Er nickte. »Wo waren wir grade?«
    »Bei den andern, den Leuten, die vom Gral online festgehalten werden.«
    »Ach ja, richtig. Leider war ich bis jetzt zu beschäftigt, um nach Martine und den andern zu sehen. Aber sie kommen als nächstes dran. Du hast recht, ich muß mich um sie kümmern.« Er schloß einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, wirkte seine eigenartige Euphorie gedämpft, als hätte er Asche auf eine Glut gelegt. »Komm, eine Sache wollen wir uns noch ansehen.«
    Bevor sie auch nur den Mund aufmachen konnte, waren die Eiskappen des Nordpols fort, und die beiden schwebten hoch über der ungeheuren Weite eines Ozeans. Die Sonne sank auf den Horizont zu und verzierte die Wellenkämme mit kupferroten Rändern, doch ansonsten war nirgends etwas zu sehen, nicht einmal Seevögel.
    »Was ist…?« begann sie, doch er brachte sie mit einer jähen Handbewegung zum Schweigen.
    Eine Weile hingen sie über dem endlosen Grün, da bemerkte Dulcy auf einmal eine Veränderung in dem Wellenmuster direkt vor ihnen, ein Brodeln, das zunehmend Unruhe in das gleichmäßige Rollen der Wogen brachte. Während sie mit offenem Mund zusah, wurde aus dem Brodeln ein wildes Aufkochen, hundert, zweihundert Meter hohe Fontänen schossen empor und schleuderten Gischtmassen in die Luft, und als ob ein riesenhaftes U-Boot eine Rakete abgefeuert hätte, durchstach der erste Turm das wütende Meer.
    Es dauerte mehr als eine Stunde, und die meiste Zeit über war Dulcy von dem sich vor ihr entfaltenden Schauspiel vollkommen gebannt. Die Stadt stieg mit einem Donnerbranden aus dem Wasser auf, als ob die Erde selbst unter Schmerzen gebären würde – zuerst die Spitzen der höchsten Gebäude, über und über mit langen Seetangriemen behängt, gleich darauf die Mauern der Zitadelle mit einem Panzer aus Entenmuscheln, die naß in der Sonne glitzerten. Nach der Zitadelle, von deren Dächern und Zinnen ungeheure Wassermassen herabstürzten und den Ozean zu weißem Schaum schlugen, so weit sie blicken konnte, kam der Berg zum Vorschein mit dem Rest der daran klebenden Stadt, deren Straßen nach Jahrtausenden auf dem Meeresgrund im Licht glänzten.
    Als es vorbei war und die gewaltige leere Hülse der Insel Atlantis wieder aus den Tiefen emporgekommen war, legte Dread kameradschaftlich den Arm um Dulcys bebende Schultern und beugte sich dicht an ihr Ohr.
    »Sei klug«, flüsterte er, »und eines Tages wird das alles dir gehören.« Er tätschelte ihren Hintern. »Ich werd’s sogar für dich abtrocknen. Gut, wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich hab noch was Dringendes zu erledigen. Mach keine Dummheiten, und paß auf, daß bei mir zuhause nichts anbrennt oder sowas, okay? Tschüs.«
    Einen Augenblick später fand sie sich mit verkrampften Muskeln und dröhnendem Schädel in der ausgebauten Fabriketage in Redfern auf der Couch wieder. Am anderen Ende des Raumes lag Dreads regungslose Gestalt wie eine feierlich aufgebahrte Leiche.
    Erst als sie geduscht hatte und ihr zweites Glas Wein an diesem Nachmittag trank, kam ihr der Gedanke, daß sie gerade das wohl irrsinnigste erste Rendezvous aller Zeiten gehabt hatte.
     
     
    > »Komm mal her, Schätzchen«, sagte Catur Ramsey zu dem kleinen Mädchen. »Komm, guck dir die Giraffen an.«
    Sie

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