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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hübsches Köpfchen verdreht?« Sein Blick glitt zu ihrem noch auf dem Sessel stehenden Pad, auf dessen Bildschirm es wildbewegt herging, und seine Augen wurden noch ein wenig größer – dabei hatte er sie schon so weit aufgerissen wie in der Achterbahn auf Sturzfahrt. »So, so, du warst ja wirklich ein neugieriges kleines Hurenaas, was?«
    Ohne es zu merken, war sie langsam in ihr liebevoll hergerichtetes Kaffee-Eckchen zurückgewichen. »Ich hätte nicht … Ich hab nicht … Warum …?«
    »Warum? Tja, das ist die Frage, nicht wahr, Süße? Warum? Weil ich will. Weil ich kann.«
    Da stupste sie mit dem Steiß an das Schubfach, und vorsichtig tasteten ihre Finger nach dem Griff. Ihr war eingefallen, was darin lag . Mit einem Ruck war sie wieder zum Leben erwacht, als ob sie mit eiskaltem Wasser übergossen worden wäre, und zum erstenmal seit einer Stunde war sie innerlich klar. Lieber Gott, mach, daß er weiterredet! betete sie. Er ist ein Monster, aber er redet gern.
    »Aber warum? Du … hast das doch gar nicht nötig.«
    »Weil ich Sex auch ohne Gewalt kriegen kann?« Das Grinsen hielt an. Er war high, auf irgend etwas abgefahren und jetzt auf Höchstgeschwindigkeit. »Nee, das Spiel läuft anders. Sex, das ist gar nichts. Im Vergleich.«
    Lautlos zog sie das Schubfach auf, ganz langsam und vorsichtig, denn mit ihrem jagenden Puls und ihren zitternden Fingern konnte es leicht passieren, daß es zu weit herauskam und zu Boden polterte. »Was … was willst du mit mir machen?«
    »Dich abservieren. Du weißt, daß es sein muß, Herzchen. Aber du hast gute Arbeit für mich geleistet, deshalb werd ich’s kurz machen. Entlassungen sollen doch kurz und schmerzlos vonstatten gehen, nicht wahr? Lernt man das nicht so in den Managerkursen? Außerdem bin ich im Moment ziemlich beschäftigt, sehr beschäftigt.« Er lächelte. Wenn sie mittlerweile nicht gewußt hätte, was sich hinter der Maske verbarg, hätte sie geschworen, daß es ganz echt und aufrichtig gemeint war. »Und ich komm jetzt auch ohne dich zurecht. Ich hab alles im Griff. Du solltest mal sehen, was mit dem Netzwerk und deinen alten Freunden passiert! Ich hab mich schweren Herzens davon losgerissen – so aufregend, wie das ist, möchte ich eigentlich keine Minute versäumen –, aber der direkte Kontakt zu den Mitarbeitern geht mir über alles.«
    Das Schubfach war offen. Sie gab ein kleines verängstigtes Stöhnen von sich, um das Geräusch ihrer suchenden Hand zu kaschieren. Die Angst mußte sie nicht spielen, ganz und gar nicht. Er beobachtete sie mit hypnotischer Intensität, die Pupillen groß und schwarz wie die Mündung einer …
    Pistole. Wo ist die Pistole?
    Jetzt mußte sie alles riskieren. Sie wirbelte so schnell herum, wie sie konnte, und riß das Schubfach ganz auf. Es war leer.
    »Suchst du die?« fragte er.
    Sie drehte sich wieder zurück und sah gerade noch, wie er die Waffe aus der Tasche seines Bademantels zog. Der Lauf, der einmal zu einem Lockenstab gehört hatte, kam hoch und zielte zwischen ihre Augen.
    »Ich bin kein Idiot, Süße.« Dread schüttelte mit gespielter Enttäuschung den Kopf. »Ach, übrigens, was ich da eben über kurz und schmerzlos gesagt habe …«
    Er ließ die Pistole sinken und richtete sie auf ihre Mitte. Dulcy hörte den lauten Knall, und im selben Moment bekam sie einen Schlag in den Bauch und prallte nach hinten. Dann lag sie auf der Seite und versuchte zu verstehen, wie so viele Dinge gleichzeitig aufhören konnten zu funktionieren. Sie wollte Lärm schlagen, um Hilfe schreien, doch es ging nicht: Etwas quetschte die Luft aus ihr heraus, eine große Faust auf ihrer Brust. Ihre Hände waren instinktiv zum Bauch gezuckt. Sie blickte darauf und sah Blut durch die Finger sickern. Als sie sie wegnahm, rann es auf den Boden und sammelte sich dort in einer größer werdenden Pfütze.
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, sagte er.

Kapitel
Der Ritter des Andern
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Gericht entscheidet: »Autoterror« nicht illegal
    (Bild: der Avatar »Lächelnder Rächer« des Angeklagten Duncan)
    Off-Stimme: Ein UN-Landesgericht hat entschieden, daß ein Gearteil, das Benutzern in virtuelle Simulationen folgt und ihrem Simuloiden Schaden zufügt, nicht per se illegal ist, solange es nicht gegen die Gesetze verstößt, die für den entsprechenden Knoten gelten. Amanda Hoek, ein siebzehnjähriges Schulmädchen aus Südafrika, wird online von dem Codekonstrukt eines Jungen verfolgt, dem sie vor einiger Zeit

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