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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Grunde eines zähen, zufrierenden Ozeans. Es war ein Flüstern aus einem Traum, vernommen auf der Schwelle des Erwachens, eine Idee, ein Duft, ein gedämpfter Herzschlag. Es war …
    !Xabbu ?
    Vom anderen Ende des Universums die ruhige, leise Erwiderung: Renie …?
    Unmöglich. Unmöglich! !Xabbu ! Um Gottes willen, bist du das?
    Und plötzlich war das Dahinschwinden nicht mehr erlösend, sondern entsetzlich. Plötzlich wollte sie alles wiederhaben, was sie verloren hatte, obwohl sie wußte, daß es bestimmt zu spät war. Es waren fast nur noch Spurenelemente von ihr übrig, die sich in dem wolkigen Gewaber des Sternenmeeres zusehends verflüchtigten.
    Nein, dachte sie. Er ist dort irgendwo. Er ist da! Sie wollte sich aufraffen, doch sie fühlte sich kaum noch – es gab keinen Halt, keinen Widerstand. !Xabbu ! Ich ertrinke!
    Renie. Ganz leise. Nur eine Stimme und selbst das kaum. Komm mir entgegen.
    Wo bist du?
    Neben dir. Immer neben dir.
    Da öffnete sie sich und fühlte ihn, wie er es gesagt hatte, genauso nebelhaft und verweht wie sie, aber direkt neben ihr, als ob sie zwei Galaxien wären, die auf den langen Nachtwellen des Universums aufeinander zurollten und sich gegenseitig durchdrangen.
    Ich fühle dich, sagte sie. Verlaß mich nicht.
    Nicht zu sagen, ob er ihr Verlaß mich nicht wiederholte oder ihr versicherte: Ich verlaß dich nicht.
    Sie glaubte seiner Versicherung. Sie streckte sich ihm entgegen, um mit aller Kraft zu verhindern, daß der Faden riß.
    Da, sagte sie. Ich berühre dich.
    Ich fühle es.
    Und dann trafen sie zusammen und vereinigten sich – Lichtjahre weit auseinandergezogen und doch so nahe wie die zwei Phasen eines einzigen Herzschlages, zwei Matrizen aus nacktem Bewußtsein, in der Dunkelheit voneinander angezogen und zusammengehalten vom unendlichen Druck der Liebe.
     
    Sie hatte wieder einen Körper. Sie merkte es sogar mit geschlossenen Augen, denn sie fühlte ihn inniger und näher als je zuvor einen anderen Menschen.
    »Wo sind wir?« fragte sie schließlich. Sie hörte sein Herz schlagen, schnell und kräftig, hörte den Atem in seinen Lungen. Sonst herrschte vollkommene Stille, aber sie brauchte nicht mehr.
    »Das spielt keine Rolle«, sagte er. »Wir sind zusammen.«
    »War das … ein Liebesakt?«
    »Auch das spielt keine Rolle.« Er seufzte, dann lachte er. »Ich weiß es nicht. Ich denke … es war Liebe, die keines Aktes mehr bedurfte.«
    Sie scheute sich, die Augen zu öffnen, merkte sie. Sie preßte ihn noch fester an sich, obwohl das eigentlich gar nicht mehr möglich war. »Du hast recht, es spielt keine Rolle«, pflichtete sie ihm bei. »Ich dachte, ich würde dich nie mehr wiederfinden …«
    Seine Finger berührten ihr Gesicht – kühl, leibhaftig. Sie war so überrascht, daß sie ihrem Vorsatz zum Trotz schaute. Es war tatsächlich sein Gesicht, sein liebes Gesicht, das da im milden Abendlicht auf sie niederblickte. Er hatte Tränen in den Augen. »Ich … ich wollte es nicht hinnehmen … konnte es nicht …« Er senkte den Kopf, bis seine Stirn ihre berührte. »Ich schwamm so lange … in diesem Licht. Ich war am Ertrinken. Rief nach dir. Löste mich auf…«
    Sie weinte. »Wir haben Körper. Wir können weinen. Sind wir wieder in … der wirklichen Welt?«
    »Nein.«
    Verwundert von seinem merkwürdigen Ton setzte Renie sich hin, behielt allerdings die Arme um ihn geschlungen, als befürchtete sie, er oder sie könnte sich sonst in Luft auflösen. Die Landschaft, grau im Dämmerlicht, war fremdartig und doch eigentümlich vertraut. Im ersten Augenblick dachte sie, sie wären auf den Gipfel des schwarzen Berges zurückgekehrt, doch der Umriß eines blattlosen Baumes, die struppige Gestalt eines Strauchs verwirrten sie.
    »Erst dachte ich, wir wären in dem Abgrund, in den ich sprang, um dich zu finden«, sagte !Xabbu langsam.
    »Abgrund? Sprang? Wohin?«
    »In den Brunnen. Das war aber ein Irrtum.« Er deutete zum Himmel empor. »Schau.«
    Sie hob den Kopf. Die Sterne schienen hell. Der gelbe Mond hing rund und voll über dem Horizont wie eine reife Frucht.
    »Das ist ein afrikanischer Mond«, sagte er. »Der Mond der Kalahari.«
    »Aber … aber du hast doch gesagt, wir wären nicht wieder … zuhause …« Sie lehnte sich zurück und betrachtete ihn. Er trug einen Lendenschurz aus rohem Leder. Ein Bogen und ein primitiver Köcher mit Pfeilen lagen neben ihm im Sand. Und auch sie war mit einem Stück Tierhaut bekleidet.
    »Das ist ja deine Welt«, sagte sie

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