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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Hanselmonster nahe heran. Obwohl sie vor Schreck keinen Ton herausbrachte, trat Sam heftig aus, doch sie konnte die knorrigen Finger nicht lockern. Der baumhohe Kerl riß sie empor und ließ sie kopfunter baumeln, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf das zappelnde Männlein in Grün. Er drückte diesem sacht, wie versuchsweise den Hals zu und beobachtete interessiert, wie das Zappeln seines Opfers erst schneller und dann langsamer wurde.
    »Das Schwert!« schrie Felix Jongleur. »Gib mir das Schwert!«
    Mit leiser Verwunderung darüber, daß der alte Mann sich an das abgebrochene Schwert erinnerte, sie aber nicht, zerrte sie es aus dem Gürtel und ließ es zu Boden fallen. Jongleur griff es sich mit einem derart triumphierenden Blick, daß Sam sich sofort für ihre Dummheit verfluchte.
    Na, den sehen wir nicht wieder …, ging es ihr durch den dröhnenden, schmerzenden Schädel, während sie zwei Meter über dem Boden wie ein Pendel in der Luft schwang. Doch zu ihrer Überraschung machte Jongleur einen Satz und hackte mit aller Kraft nach der astharten Hand an ihrem Fuß. Der spannenlange Hansel, der immer noch fasziniert den Todeskampf seines anderen Opfers verfolgte, schien Jongleurs Angriff kaum zu registrieren, doch seine Finger öffneten sich abrupt. Sam stürzte so hart auf den Boden, daß sie einen Moment lang nicht mehr wußte, wo oben und unten war.
    »Schnell!« rief Jongleur. »Hilf mir mit Jonas!«
    Ganz schwindlig im Kopf rappelte Sam sich auf. Abermals hoben sie Paul hoch und drängten sich zwischen jammernden und schluchzenden Flüchtlingen hindurch zum Rand des Brunnens. Hände streckten sich aus der kleinen Vertiefung am Ufer empor und nahmen Paul entgegen, dann kletterte Sam mit Hilfe von unten über die Kante auf ein zwei Meter tiefer liegendes schmales Gesims, das höchstens drei Schritte breit und zwölf Schritte lang war und von dem aus die flimmernde Oberfläche des Brunnens zum Greifen nahe war. Jongleur kam hinter ihr her und hockte sich schwer atmend neben sie auf das kleine Plateau, ohne die verblüfften oder gar feindseligen Blicke der anderen zu beachten.
    Martine, Florimel, T4b, sogar Bonnie Mae und Nandi waren bereits auf dem Gesims versammelt, und auf einigen hockten die schnatternden Äffchen der Bösen Bande. Der fremde Junge namens Cho-Cho hatte sich an Martine gekuschelt, den Rücken an die graue Erde gelehnt, die Augen schreckensweit aufgerissen.
    »Sollen wir einfach hier warten, bis sie uns finden?« flüsterte Bonnie Mae Simpkins atemlos.
    »Was sind das für Bestien?« fragte Florimel. »Woher sind sie auf einmal gekommen?«
    Nandi Paradivasch richtete seinen Blick auf Paul, der neben Sams Füßen lag, nach wie vor von Traumgesichten gequält. »Es sind Kopien der echten Zwillinge, der Männer, die Jonas durch das Netzwerk verfolgt haben. Anscheinend gibt es viele von diesen Duplikaten, alle beherrscht vom Verlangen nach Jongleurs Tochter, aber in der Regel harmlos. Dread hat das System in der Gewalt, auch wenn der Andere ihn im Augenblick noch in Schach hält. Er wird einen Weg gefunden haben, diese Kopien umzufunktionieren.«
    »Aber warum?« rief Florimel aus. Sie zuckte zusammen, als ein langgezogener Schrei durch die ohnehin schon furchtbare Geräuschkulisse über ihnen schnitt, zupfte sich ein nervös hampelndes Äffchen von der Stirn und setzte es sich auf die Schulter. »Auf die Art kann er doch das Betriebssystem nicht zerstören, er bringt bloß die Kinder um! Ist er schlicht wahnsinnig?«
    »Er will, daß wir aufgeben«, sagte Martine mit schleppender, hohler Stimme. »Er will uns zwingen, um der Kinder willen zu kapitulieren.«
    »Aber selbst wenn wir das machen, wird er sie nicht am Leben lassen.« Sam fuchtelte mit den Händen, damit die anderen ihr zuhörten. »Er wird das Betriebssystem vernichten! Dann sterben sie alle mit!«
    »Vielleicht … vielleicht ist Dread intelligenter, als wir es ihm zutrauen.« Martine klang erschreckend ausgebrannt, als ob ihr schon alles gleichgültig wäre. Es machte Sam Angst. »Er war sichtlich verdutzt und sehr verärgert, als er feststellen mußte, daß der Andere sich ihm weiterhin widersetzt, aber wenn er ihn völlig zerstört, verliert er die Kontrolle über das Netzwerk. Vielleicht rechnet er gar nicht damit, uns aus der Reserve zu locken. Vielleicht tut er den Kindern, die der Andere beschützt, diese ganzen Greuel an, weil er das Betriebssystem zum Wahnsinn treiben will.«
    »Habt ihr denn alle gar kein Herz?«

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