Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
nicht, woher sie ihre Gewißheit nahm, aber sie war sich ganz sicher: Es war nicht mehr genug Energie im Brunnen übrig, um ihn noch einmal hervorzubringen.
    Hervorbringen? Aber das ist doch Orlando, mein Orlando, wie er leibt und lebt…!
    Das Hanselmonster humpelte auf seinen verwundeten Beinen gegen ihn an und schwenkte seine Arme wie riesenhafte Besen, um ihn schlicht und einfach über den Rand zu fegen. Aller Rückzugsmöglichkeiten beraubt tat er das einzige, was ihm noch übrigblieb: Er sprang nach vorn zwischen den hauenden Händen hindurch und rollte wie eine Bowlingkugel mit voller Wucht gegen die dürren Beine. Ein Bein brach mit einem trockenen Knacken, und der Unhold taumelte und stieß ein schrilles Wutgeheul aus. Er hinkte einen Schritt, fing sich und wollte schon zulangen, doch Orlando war inzwischen hinter ihm und durchtrennte ihm das gebrochene Bein mit einem beidhändig geführten Schlag. Dann warf er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den auf einem Bein kippelnden Riesen und stieß ihn über die Kante.
    Noch im Fallen jedoch gelang es dem spannenlangen Hansel, sich in der weichen Erde am Rand festzukrallen, und sein unverletztes Bein strampelte heftig über den aufgewühlten Wellen. Er war sogar schon dabei, sich wieder hochzuziehen, da duckte sich Orlando unter einem wuchtigen Schwinger der anderen Bestie weg und zerhackte die grapschenden Finger. Zischend und pfeifend wie ein kochender Hummer glitt das Ungetüm in die pulsierenden Tiefen, kämpfte sich noch einmal mit wild fuchtelnden Armen nach oben und verging zuletzt in der flirrenden Masse, die den Brunnen füllte.
    Doch schon baute sich die monströse, gallertartige Gestalt der nudeldicken Dirn wutschnaubend hinter Orlando auf. Nur um Haaresbreite konnte er ausweichen, als ihre Faust wie ein gigantischer Hammer aus Weichgummi niederdonnerte. Mit einem blitzschnellen Herumglitschen schnitt sie ihm den Fluchtweg ab, reckte sich abermals in die Höhe und riß ihr Maul sperrangelweit auf, so daß sie wie eine ungeheure, fettwuchernde Handpuppe aussah. Doch ehe sie abklappen und Orlando zermalmen konnte, rammte dieser ihr seine Klinge tief in den Wanst und sprang augenblicklich zur Seite, ohne das Schwert loszulassen. Prall traten seine Muskeln hervor, als er es durch das gummiartige Fleisch zog, und in dem Moment ließ sich das Scheusal auf ihn fallen.
    Sams Herz stockte vor Schreck und schlug erst wieder, als sie Orlando schleimbedeckt unter der schwabbeligen Masse hervorrobben sah. Die Wut der schrill heulenden Bestie kippte um in Schmerz und Angst. Sie wuchtete sich abermals hoch, doch eine zähe Flüssigkeit quoll aus dem langen Riß quer über ihrem Bauch. Die nudeldicke Dirn wankte und wurde schlaff wie ein angestochener Luftballon, dann fiel sie zu einem glibberigen Klumpen zusammen und rutschte über den Rand in den Brunnen.
    Sam war bereits hochgeklettert und drängte sich durch die Masse der wie vom Donner gerührten Flüchtlinge, ohne auf die Toten und Sterbenden zu achten, über die sie hinwegspringen mußte. Orlando wandte sich vom Brunnen ab, taumelte und sank auf die Knie.
    »Orlando!« schrie sie. »Oh, dsang, Gardiner, bist du’s wirklich?« Sie kniete sich neben ihn und schlang die Arme um ihn. »Stirb nicht, hörst du, trau dich ja nicht zu sterben! O Gott, ich wußte, daß du nicht tot sein konntest. Du bist zurückgekehrt! Wie Gandalf! Du bist voll zurückgekehrt!«
    Er wandte sich ihr zu und blickte sie an. Einen Moment lang schien er sie nicht zu erkennen, und ihr krampfte sich der Magen zusammen. Dann lächelte er. Es war ein klägliches, müdes Lächeln, doch ihr kam es vor, als hätte sie im ganzen Leben noch nie so etwas Wunderbares gesehen. »Aber ich bin tot, Fredericks«, sagte er. »Echt.«
    »Nein, bist du nicht!« Sie umarmte ihn, so fest sie konnte. Sie weinte und plapperte wirres Zeug, doch es war ihr ganz egal. Er lebte, er lebte! Die anderen kamen nun gleichfalls angelaufen, doch sie wollte ihn nicht loslassen, nie mehr. »Nein, bist du nicht. Du bist hier.«
    Eine ganze Weile blieben sie so, dann lehnte er sich ein wenig zurück.
    »Gandalf?« Er musterte sie kritisch, seinerseits gegen die Tränen anzwinkernd, und schließlich mußte er lachen. »Verdammt, du hast es doch gelesen. Du hast es gelesen, ohne mir was davon zu sagen. Du bist so ein Oberscänner, Fredericks.« Und dann wurde er in ihren Armen ohnmächtig.

Kapitel
Unerwartete Gemeinsamkeiten
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Arme Länder bieten sich als

Weitere Kostenlose Bücher